Landeshauptstadt: Ein „Wohnblockknacker“
Heute vor 69 Jahren detonierte eine der seltenen Luftminen über Potsdam. Ein Zeitzeuge berichtet
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Wenn es um Bombenangriffe auf Potsdam während des Zweiten Weltkrieges geht, hat sich vor allem ein Datum im Gedächtnis der Stadt bewahrt: die Bombennacht vom 14. April 1945. Damals sorgten britische Flieger in 20 Minuten für die Zerstörung eines Großteils der Innenstadt, 1593 Potsdamer fanden den Tod – der mittlerweile verstorbene Potsdamer Hans-Werner Mihan hat Augenzeugenberichte und Dokumente zur „Nacht von Potsdam“ in seinem gleichnamigen Buch zusammengestellt.
Aber Bomben fielen während des Weltkrieges auch an anderen Tagen auf Potsdam: Am heutigen Montag jährt sich einer der vergleichsweise seltenen Luftminen-Explosionen, wie sich der Zeitzeuge Horst Goltz erinnert. Der damals 15-jährige Potsdamer hatte das Kriegsgeschehen verfolgt, sich im Geheimen unter anderem auch durch Flugblätter der Alliierten – das Lesen war bei Strafe verboten – über die tatsächliche Lage informiert und alle Angriffe auf die Stadt in seinem Tagebuch notiert.
„An einen Tag erinnere ich mich noch ganz genau“, berichtet der studierte Biologe. Es war ein Sonnabend, der 24. Februar 1945, als um 22.35 Uhr die Sirenen in der Küsselstraße auf der Halbinsel Hermannswerder unweit seines Elternhauses Fliegeralarm schlugen. Goltz begab sich in den Luftschutzbunker Marke Eigenbau, den sein Vater, ein Zimmermeister, im Kleingarten vor dem Haus auf dem Tornow errichtet hatte. „Vom Eingang zu diesem Bunker hatte ich einen freien Blick über die Havel in Richtung Potsdam-West“, erzählt der 84-Jährige heute.
Es sei eine stille Nacht gewesen, die Motorengeräusche der nahenden Kampfflugzeuge waren leise zu hören. „Plötzlich unterbrach ein eigenartig schlürfend-saugendes und gurgelndes Geräusch, das immer lauter wurde, die Stille der Nacht“, berichtet Goltz. Wenig später habe ein greller Lichtblitz über Potsdam-West das ganze Stadtviertel erhellt, es folgte eine ohrenbetäubende Detonation. „Ein solches Geräusch hatte ich vorher noch nie gehört“, sagt Goltz.
Es handelte sich um eine Luftmine, wie sich herausstellte – die damals sarkastisch unter dem Begriff „Wohnblockknacker“ bekannten Bomben explodierten über der Erde und richteten mehr Schaden an als die Sprengbomben.
In Potsdam-West wurden an diesem 24. Februar drei Wohnhäuser in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße an der Einmündung der Nansenstraße komplett zerstört, an den Gebäuden herum gab es Beschädigungen und viele zerborstene Fensterscheiben, wie Goltz bei einem Rundgang am folgenden Sonntag notierte. Luftminen seien vergleichsweise selten auf Potsdam gefallen, sagt Goltz.
An der Detonationsstelle vom 24. Februar entstand zu DDR-Zeiten der Häuserblock mit den Straßennummern 6 bis 7a. Horst Goltz ist die Erinnerung an die Luftminen-Explosion wichtig: „Das verdeutlicht den nachfolgenden Generationen, was ihnen durch fast 70 Jahre Frieden alles erspart geblieben ist.“ Jana Haase
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