
© A. Klaer
Deutsch-Israelischer Austausch in Potsdam: Ein Ziegelstein für den Wiederaufbau
Zum zehnten Mal besuchen israelische Schüler mit ihren deutschen Austauschpartnern Potsdam und beschäftigen sich bei einem Besuch in der Nagelkreuzkapelle mit der Geschichte der Garnisonkirche.
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Potsdam - Der Platz der zerstörten Garnisonskirche – ein geschichtsträchtiger Ort, der immer wieder die Gemüter erregt. Doch hat der kurze Handschlag von Hitler und Hindenburg beim Festakt zur Reichtagswahl im Jahr 1933 vielleicht gar nicht so viel Streit und Aufsehen verdient?
Philipp Schuppan, Jugendmitarbeiter der Kirche Bad Belzig, erinnert sich gerne an einen Gedanken, den ein 16-jähriger Israeli vor rund zwei Jahren im Rahmen eines deutsch-israelischen Austausches nach dem Besuch der Nagelkreuzkapelle am früheren Standort der Garnisonkirche äußerte. „Er sagte, man könne doch nicht alle Gebäude, die Hitler ein einziges Mal besucht hat, einfach zerstören.“ Gegen den Wiederaufbau als einen Ort des Gebetes und der Erinnerung spreche doch nichts, habe der junge Israeli gemeint. Für den Jugendmitarbeiter war das ein Schlüsselerlebnis seiner Arbeit als Organisator der Austauschaktionen mit Israel. Am Mittwoch sind nun zum zehnten Mal Schüler aus Israel mit ihren deutschen Austauschpartnern aus Bad Belzig in Potsdam unterwegs.
Schüler aus der Region besuchten auch Israel
Die Nagelkreuzkapelle eigne sich als Startort für die eintägige Potsdamtour besonders gut, findet Schuppan. Bei dem zehntägigen Austausch, der vom Bundesministerium für Familie gefördert wird, sollen sowohl in Deutschland als auch in Israel besonders viele Gedenkstätten der Shoah und der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg besucht werden. „Mein Vater hat im Holocaust seine gesamte Familie verloren“, erzählt Anat Alon, Lehrerin in der Highschool in Even Yehuda, wo die Schüler herkommen. Das Gedenken an die Shoah und die deutsch-israelische Beziehung seien auch für sie die Hauptziele des Austausches. Ihren Schülern hingegen war die Geschichte der Kirche zumindest bislang noch weitestgehend unbekannt.
Für ihre deutschen Altersgenossen war der vorherige Besuch in Israel jedenfalls ein wichtiges Erlebnis. Für zehn Tage waren sie in der Nähe von Tel Aviv zu Gast und besichtigten unter anderem Jerusalem und das Tote Meer. Gewohnt haben die zwölf Schüler des Fläming Gymnasiums bei ihrer israelischen Gastfamilie in Even Yehuda. „Besonders berührt hat mich Yad Vashem, die bedeutenste Gedenkstätte des Holocaust in Jerusalem“, erzählt etwa die 15-jährige Josefine Lindner aus Bad Belzig von ihrem Aufenthalt. „In einem Glaskasten war ein riesiger Haufen Schuhe ausgestellt – Schuhe der im KZ umgekommenen Juden.“
Deutsch-israelische Freundschaften
Jetzt wohnen die Israelis bei ihren deutschen Partnern. „Da entsteht richtige Freundschaft“, sagt Schuppan. Auch später besuchen sich die Schüler in den Ferien immer wieder. „Der Austausch macht wirklich Spaß, und Potsdam ist eine sehr schöne Stadt mit vielen historischen Gebäuden“, sagt eine der israelischen Schülerinnen. In Israel gäbe es nur wenige alte Gebäude, alles sei neu, meint auch der 15-jährige Hans Kautz.
In der Nagelkreuzkapelle in Potsdam erfahren die Jugendlichen alles über die Geschichte der Garnisonkirche bis hin zur Gründung der Nagelkreuzkapelle am 25. Juni 2011. Seitdem finden dort Ausstellungen, Seminare, Gedenkveranstaltungen und jeden Mittwoch um 18 Uhr Friedensgebete statt. „Dass israelische Jugendliche in unsere Kapelle kommen, finde ich wunderbar“, sagt Cornelia Radeke-Engst. „Verständnis zwischen den beiden Völkern zu erwecken ist genau die Arbeit, die an einem solchen Ort wie hier gemacht werden muss“, meint sie.
Seit etwa einem Jahr ist sie Pfarrerin der Nagelkreuzgemeinde. Sie kann sich den Wiederaufbau, zumindest des Turms, gut vorstellen. „Der Platz kann nicht leer bleiben, hier muss kritisch deutsche Geschichte aufgearbeitet werden“, sagt sie. Auch die israelischen Gäste beteiligen sich am Wiederaufbau: Mit ihren deutschen Austauschschülern gestalten sie zwei Ziegel, die beim Bau verwendet werden sollen.
Emma Schätzlein
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