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Von Guido Berg: Einbruch in jüdisches Gemeindezentrum

Gesetzestreue Juden beklagen 5000 Euro Schaden / Toraschrein aufgebrochen / Nebrat fordert mehr Schutz

Stand:

Innenstadt - Einbruch in das Gemeindezentrum der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde in Potsdam: Unbekannte Täter verschafften sich in der Nacht zu Sonntag gewaltsam Zutritt in das jüdische Gemeindezentrum in der Posthofstraße. Sie knackten einen Tresor, in dem sich laut Gemeindegeschäftsführer Shimon Nebrat etwa 1000 Euro Bargeld befand. Zudem wurde ein Videobeamer entwendet. Die Täter beschädigten mehrere Türen sowie einen Computer. Sie brachen ebenfalls den Toraschrein auf, in dem sich die Torarolle befindet – eine Rolle aus Pergament, auf der die fünf Bücher Mose in hebräischen Buchstaben von Hand aufgeschrieben sind. Die Torarolle ist in einer jüdischen Gemeinde von herausragender religiöser Bedeutung. Ob die Torarolle beschädigt wurde, war gestern noch unklar. Den materiellen Gesamtschaden beziffert Nebrat in einer ersten Einschätzung mit etwa 5000 Euro. Gleichsam verschafften sich die Täter gewaltsam Zutritt zu den Räumen der Streetworker der Diakonie, die ihre Geschäftsstelle in dem selben Treppenaufgang haben wie die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde. Die Polizei wurde laut Innenministeriumssprecher Ingo Decker gestern um 8.18 Uhr von dem Einbruch informiert. Umgehend habe die Kriminalpolizei die Ermittlungen aufgenommen. Einen antisemitischen Hintergrund sieht die Polizei ersten Erkenntnissen zufolge nicht, erklärte Decker den PNN.

Das Gemeindezentrum bot gestern ein Bild der Zerstörung. Die Eindringlinge brachen große Teile der Eingangstür und der Türzarge heraus. Um in einen der Räume zu gelangen, schlugen sie eine Türscheibe ein. Den Tresor brachen sie mit großer Gewalt auf. Dazu Gemeindegeschäftsführer Nebrat: „Man muss schon Ahnung haben, wie man das macht.“

Nebrat erhob gestern Vorwürfe an die Adresse der Landesregierung: „Wieso werden jüdische Einrichtungen im Land Brandenburg nicht geschützt?“ Seiner Ansicht nach ist es nicht hinreichend, lediglich ab und an eine Polizeistreife am Haus vorbeifahren zu lassen. Nebrat: „Wir fordern einen angemessenen Schutz.“ Der Gemeindegeschäftsführer verweist auf jüdische Einrichtungen in Berlin, die permanent durch Polizisten bewacht werden, etwa das Gemeindehaus in der Fasanenstraße. Dazu erklärte Innenministeriumssprecher Decker, das Zentrum der Gesetzestreuen Jüdischen Gemeinde sei „ein Schutzobjekt des Schutzbereiches Potsdam“. Ein Mal pro Schicht, zwei bis drei Mal pro Tag, aber zu unterschiedlichen Zeiten, fahre eine Polizeistreife an dem Gemeindezentrum vorbei. Am gestrigen Sonntag sei dies letztmalig um 6.51 Uhr geschehen. Decker zufolge gebe es unterschiedliche „Schutzstufen“, jüdische Synagogen wie in der Oranienburger Straße oder der Rykestraße in Berlin würden als gefährdete Objekte eingeschätzt. Ob die Räume der Gesetzestreuen jüdischen Gemeinde nun intensiver geschützt werden müssen, ist in Auswertung des Einbruchs zu diskutieren, sagte Decker.

Angesichts des Einbruchs erneuerte Nebrat seine frühere Kritik an der Diakonie Potsdam, die im selben Haus die Station „Wildwuchs Streetwork“ unterhält. Nebrat bezeichnet die Nachbarschaft als „sehr ungünstig“. Einer der von den Streetworkern betreuten jungen Männer habe ihn vor geraumer Zeit als „Scheiß Jude“ beschimpft. In der vergangenen Woche habe sich der Mann deswegen vor dem Amtsgericht verantworten müssen. Nebrat: „Ich habe gegen ihn ausgesagt.“ Der Mann sei geständig gewesen; ob es einen Zusammenhang zwischen dem Prozess und dem Einbruch gibt, will Nebrat nicht behaupten: „Ich weiß es nicht.“ Nebrat, der sich mit dem Kulturministerium gerichtlich in einem Streit um eine angemessene Förderung befindet, reagierte auf den gestrigen Rückschlag schockiert. Er frage sich, wie viele andere Juden im Land Brandenburg auch: „Sind wir richtig hier?“

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