Landeshauptstadt: Eine außerordentliche Begabung
Susanne Mildner wurde für ihre deutsch-französische Promotion von der Stadt Potsdam ausgezeichnet
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Es geht um Erotik, Liebe und Klischees. Das findet immer Leser. Die Potsdamer Literaturwissenschaftlerin Susanne Mildner hat sich mit dem Liebesleben der Deutschen und Franzosen auseinandergesetzt – und zwar mit den Liebeskonzeptionen von deutschen und französischen Schriftstellern um 1800. Hier der frivole, liebesdurstige Franzose, dort der eher tiefgründige Deutsche – das sind Stereotype, die sie mit ihrer wissenschaftlichen Betrachtung auflösen konnte. Die Deutschen seien von den feingeistigen Franzosen damals nicht mehr als Barbaren betrachtet worden. Mehr noch, die französischen Autoren sahen angesichts von Goethes „Werther“ die deutsche Romantik, Sehnsucht und Schwärmerei als etwas, das sie in ihrer Heimat vermissten.
Das ist ein Stoff, der nicht nur Interesse beim Leser weckt. Der 31-jährigen Uni-Absolventin wurde dafür am Freitagabend im Rahmen des Einsteintages der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Nikolaisaal der mit 5000 Euro dotierte Nachwuchswissenschaftlerpreis der Stadt Potsdam verliehen. Ein Novum insofern, als dass der zum fünften Mal verliehene Preis zum ersten Mal an eine Geisteswissenschaftlerin geht. Das zeige, dass es auch auf diesem Gebiet in Potsdam eine sehr rege Forschungstätigkeit gibt, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs. Dass nach Mildners literaturwissenschaftlicher Promotion zwei juristische Arbeiten in der Bewertung der Jury oben standen, würde nur untermauern, dass Potsdam auch in den anderen Disziplinen Exzellenz hervorbringt.
Was für die Arbeit von Susanne Mildner im Besonderen zutrifft. Sie wurde als sogenannte „Cotutelle de thèse'“ verfasst, geschrieben an der Universität Potsdam und der Université Sorbonne Nouvelle Paris III. Diese besondere bi-nationale Arbeit erfordert nach Ansicht des Jury-Mitglieds Heinz Kleger eine enorme intellektuelle Kapazität. In zwei Sprachen, in zwei Ländern zu arbeiten und dann in einer zeitlich unbegrenzten Prüfung vor sechs (!) Professoren treten zu müssen, sei eine beachtliche Leistung. Damit dann auch noch die Bestnote „summa cum laude“ zu erzielen, spreche für die Qualität der Arbeit. Größten Respekt zollte auch Mildners Doktorvater Reinhart Meyer-Kalkus der jungen Frau aus Berlin-Buch , die vor fünf Jahren noch Anfängerfranzösisch sprach und nun von der Stendhal-Gesellschaft in Paris zu einem Vortrag eingeladen wurde.
All diese Kompetenz, Expertise und länderüberspannende Fähigkeit sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Absolventin sich kaum Hoffnungen auf einen Job an einer Universität macht – weder in Deutschland, noch in Frankreich. Heutzutage sei es sehr schwer, an einer Universität Fuß zu fassen, sagt sie. Nach Erfahrungen im Journalismus hat sie nun einen Job in der Öffentlichkeitsarbeit angenommen. Ihr Ziel ist die Arbeit in einer Stiftung. Das Preisgeld will sie in die kostspielige Veröffentlichung ihrer Arbeit stecken. Jan Kixmüller
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