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Kommentar über angeblichen Skandal: Eine Bitte zum Protest, keine Aufforderung
Ein rechtspopulistisches Magazin schrieb, dass die Stadt Potsdam ihre Dienstwege gegen Pogida missbrauche. Billige Propaganda, meint PNN-Autor Henri Kramer.
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Potsdam - Die Schlagzeile soll Empörung schüren. „Stadt Potsdam missbraucht dienstliche Kommunikationswege gegen Pogida“, schrieb jetzt das rechtspopulistische Magazin „Compact“. Als Beweis diente eine interne Rundmail der Stadtverwaltung, die Mitarbeiter der Stadt angeblich auffordere, sich an Gegendemonstrationen gegen den fremdenfeindlichen Potsdamer Pegida-Ableger zu beteiligen. Die E-Mail stammt von der zur Stadt gehörenden Servicestelle Tolerantes und Sicheres Potsdam unter Ursula Löbel – die einen allgemeinen Appell des von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geleiteten und überparteilichen Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“ an alle Rathaus-Mitarbeiter weiterleitete, in der „alle demokratischen und friedliebenden Bürger“ gebeten wurden, „den rechtsextremen und fremdenfeindlichen Bestrebungen in der Landeshauptstadt eine kraftvolle Stimme entgegenzusetzen.“ Eine Bitte zum Protest also – keine Aufforderung, wie von „Compact“ unterstellt.
Zudem hat Potsdam bereits vor Gerichten Recht erhalten, zu Protesten gegen rechtsextreme Demonstrationen aufrufen zu dürfen – wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Jahr 2012. Das Gericht bezog sich damals auch explizit auf Ideen des 2008 von den Stadtverordneten einstimmig beschlossenen Potsdamer Toleranzedikts, wonach ein friedlicher Protest für jedermann ein gerechtfertigtes Anliegen sei. Das Edikt ist seither Richtschnur städtischen Handelns, auch als Anleitung für wehrhafte Demokraten, „Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und politischen Extremismus nicht zu dulden“, „das Nicht-Tolerierbare“ klar zu benennen. Und noch etwas ist an dem Bericht des „Compact“-Magazins (Motto: „Mut zur Wahrheit“) bemerkenswert. Denn der Text endet mit der Feststellung: „Es war bislang nicht zu erfahren, welche dienstrechtlichen Konsequenzen Frau Löbel für den Missbrauch der städtischen Infrastruktur zu gegenwärtigen hat.“ Doch danach direkt bei der Stadtverwaltung angefragt hat die „Compact“-Redaktion auch nicht, wie ein Stadtsprecher am Sonntag bestätigte.
Fazit: Allzu billige rechtspopulistische Propaganda – die die Stadt vor weiteren Protestaufrufen gegen Pogida nicht abhalten sollte.
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