Homepage: Eine deftige erotische Anspielung
Mit ihren Blättern fängt die Venusfliegenfalle Tiere
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Im Botanischen Garten der Uni Potsdam gibt es viele exotische und heimische Pflanzen. In den PNN stellt Kustos Michael Burkart jeden Monat eine dieser Pflanzen vor.
Es war ziemlich unglaublich, was der Londoner Kaffeehändler und Hobby-Naturforscher John Ellis in einem Brief an Carl von Linné behauptete: Die Pflanze, die er 1768 neu aus den nordamerikanischen Kolonien erhalten hatte, fresse mit ihren Blättern Fliegen und Ohrwürmer. Der wundersame Vorgang war sogar mit einem Kupferstich illustriert. Linné antwortete bündig, tierfressende Pflanzen gebe es nicht und könne es auch nicht geben, da so etwas „gegen die gottgewollte Ordnung der Natur“ verstoße.
Ellis hatte die Pflanze bereits „Venus's Fly Trap“ – Venusfliegenfalle – genannt, wissenschaftlich Dionaea muscipula. Muscipula kann sowohl mit „Fliegenfalle“ als auch mit „Mausefalle“ übersetzt werden, und Dione war die Mutter der Göttin Aphrodite bzw. Venus. Die Verbindung der beiden Begriffe im lateinischen Namen ist eine deftige erotische Anspielung auf die Form der Blätter - aber das störte Linné ganz sicher nicht, baute er doch selber mit geradezu pubertärer Begeisterung Zoten in Pflanzennamen ein.
Hundert Jahre später suchte Charles Darwin in der Natur bekanntlich alles andere als eine „gottgewollte Ordnung“. Auch Zoten interessierten den zehnfachen Vater wenig. In seinem Buch über fleischfressende Pflanzen bewies er 1875 mit einer Fülle experimenteller Belege jedoch als erster schlüssig, dass gewisse Pflanzen Tiere fangen und verdauen. Aber sogar fast 50 Jahre später gab es noch Wissenschaftler, die die Existenz fleischfressender Pflanzen bestritten.
Die Venusfliegenfalle ist insofern besonders spektakulär, als ihr Fangmechanismus auf einer für eine Pflanze geradezu atemberaubend schnellen Bewegung beruht, so schnell, dass sie mit bloßem Auge gut zu beobachten ist. Dionaea ist dadurch sicher die bekannteste fleischfressende Pflanze. Das Zusammenklappen der Falle wird durch Berührungsreize an den drei Fühlborsten ausgelöst, die sich auf jeder Blatthälfte befinden. Die zahlreichen, steifen Randborsten des Blatts greifen beim Zusammenklappen wie ein Fangeisen ineinander und hindern das gefangene Insekt am Entkommen. Auf die schnelle Schließbewegung folgt noch ein langsameres vollständiges Schließen der Falle, aber nur, wenn tatsächlich lohnende Beute gefangen ist, was die Pflanze sowohl über mechanische als auch chemische Reize wahrnehmen kann. Die Verdauung erfolgt dann durch Sekrete aus den Verdauungsdrüsen an den Innenseiten der Klappen. Jedes Fangblatt kann nur einige wenige Fangbewegungen ausführen, bevor es zugrunde geht. Nektardrüsen am Rand der Falle und eine im ultravioletten Bereich ausgebildete Kontrastfärbung, die für Insekten gut wahrnehmbar ist, fungieren als Lockmechanismen.
Diese Fangblätter waren auch Vorbild bei der Lösung eines technischen Problems, nämlich der Konstruktion eines rationellen Verschlusses für Kabeldurchführungen am Gehäuse von Schaltschränken, der es erlaubt, ein Kabel samt dickem Stecker einzuführen und die Öffnung anschließend wieder wasser- und staubabweisend zu verschließen. Das Projekt des Botanischen Gartens Freiburg mit der Firma Rittal ist Teil der Ausstellung „Was die Technik von Pflanzen lernen kann - Bionik in Botanischen Gärten“, die noch bis 3. Oktober im Potsdamer Botanischen Garten zu sehen ist.
Am Sonntag, dem 31. Juli, gibt es dort um 15 Uhr ein Aktionsprogramm: Dabei können Kinder unter Anleitung fleischfressende Pflanzen füttern und beim Verdauen beobachten. Michael Burkart
Michael Burkart
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