Von Henri Kramer: Eine Frage der Wahrnehmung
Das studentische Kulturzentrum steht in der Kritik – und ist Teil des Streits zwischen AStA und Opposition
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Wenn Potsdamer Studenten in die Kneipe vom studentischen Kulturzentrum (KuZe) in der Hermann-Elflein-Straße gehen wollen, stehen sie manchmal vor verschlossenen Türen. Auch Björn Ruberg ist so etwas schon zu Ohren gekommen. Dann ärgert sich der junge Potsdamer Hochschulpolitiker. Auch deswegen, weil er an den Zuständen im KuZe nichts ändern kann. Denn im Studentenparlament (StuPa) der Potsdamer Universität sitzt Ruberg mit der Grün-Alternativen Liste (GAL) in der Opposition. Die Mehrheit hat eine als links geltende Koalition, die den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) bildet, der unter anderem auch das KuZe betreiben soll. Laut Ruberg steckt der AStA in das Kulturzentrum allerdings nur viel Geld hinein, „ohne dass ein Großteil der Studenten davon profitiert“.
Denn nicht allein die unregelmäßigen Öffnungszeiten der Kneipe des Studentenzentrums stören Ruberg und die GAL: Ihre Kritik stellt die Struktur des Hauses in Frage. Besonders kritisieren sie das sogenannte NutzerInnen-Plenum. Diese nicht gewählte Arbeitsgruppe fällt die Entscheidungen für das Haus: Wer darf Partys veranstalten, wer soll sauber machen, welche Aktionen stehen an? Das Plenum gilt wie der AStA als politisch deutlich links, viele Akteure der zwei Gremien gehören zur alternativen Szene Potsdams. „Alle Studenten der Uni zahlen für das KuZe, haben aber auf den Inhalt keinen Einfluss“, so Ruberg.
Das so kritisierte Haus existiert seit mehr als drei Jahren. Zuvor wurden die Elfleinhöfe für rund 1,2 Millionen Euro umgebaut. Jährlich kostet das KuZe die Uni-Studenten rund 100 000 Euro, die vom Semesterbeitrag abgehen. Vor allem deswegen sieht sich Björn Ruberg im Recht mit seiner Kritik. Nach einer GAL-Umfrage haben bislang nur ein Fünftel aller Potsdamer Studenten schon einmal das KuZe besucht.
Die Frage des Erfolgs sieht AStA-Sprecher Tamas Blenessy völlig anders. „Die Kneipe im KuZe läuft besser, als anfangs gedacht: Mittlerweile gibt es sogar einen Café-Betrieb ab 15 Uhr.“ Auch Geschäftsführer Sven Brödno spricht vom „Erfolgsmodell“ KuZe – nirgendwo sonst in Deutschland gäbe es so ein Haus als „Experimentierfeld“ für Studenten.
Doch nicht jeder Versuch gelingt. Wer mit KuZe-Verantwortlichen redet oder Einblick in den internen Mailverkehr erhält, hört von vielen Problemen. Einige existieren wegen des Gebäudes an sich, dass auch nach drei Jahren Nutzung nicht endgültig abgenommen ist. Mal klemmen Türen oder sind Schließknöpfe kaputt, mal verstopfen die Klos, oft springt der Brandmelder ohne Grund an und alarmiert die Feuerwehr. Wegen der nahen Nachbarn müssen die KuZe-Macher dazu noch Lärmauflagen beachten.
Manche Schwierigkeiten sind offenbar auch hausgemacht. „Verantwortungsleere“, sagt eine Studentin zur Situation der Tresendienste, die jeden Tag ehrenamtlich Bier ausschenken sollen. Manchmal kommen zwei Mannschaften, manchmal wird aber auch dringend nach Personal gesucht. Notfalls muss die Kneipe eben zubleiben. Ebenso gibt es Kritik an der Unordnung in den Räumen, weil oft niemand weiß, wer zuständig ist. Dazu herrsche im KuZe viel zu oft „Jugendklub-Atmosphäre“, heißt es: Viele Besucher und manchmal auch Tresenkräfte seien kaum älter als 18 Jahre alt, wohl wegen der niedrigen Alkoholpreise.
Es sind solche Probleme, die auch der Studentenklub Pub á la Pub in der Breiten Straße kennt – allerdings von früher. „Auch bei uns hat die Organisation Jahre gebraucht“, heißt es dort. Inzwischen hält der Betreiberverein das Pub ohne Fördergeld jeden Tag das Haus offen. Dazu gibt es eine Karte für Studenten und höhere Preise für alle anderen: „Das zeigt Wirkung, nun sind vor allem Studenten da.“
Eine Zusammenarbeit mit dem Pub-Team gibt es nicht. Auch das kritisiert Björn Ruberg. KuZe-Chef Sven Brödno hält dagegen. Pub und KuZe seien nur schwer vergleichbar, weil das Pub eben nur Kneipe, das KuZe aber noch viel mehr sei – gerade wegen seines Theatersaals, der Siebdruckwerkstatt oder den Probenräumen. „Solche Räume nutzen unter der Woche rund 200 Leute für ihre Ideen.“ Allerdings gäbe es ein „Wahrnehmungsproblem“, dass vor allem die Kneipe das Bild des KuZe präge. Die Idee, diese Bar stärker als jetzt auf Studenten auszurichten, lehnt Brödno aber ab. Seine Begründung: „Das KuZe war immer auch als Verbindung zwischen Uni und Stadt gedacht.“ Gleichzeitig dürften die Standards im Haus nicht zu sehr professionalisiert werden, weil sonst der experimentelle Charakter des KuZe verloren gehe. Bei diesem Argument bezieht sich der Geschäftsführer auch auf das ursprüngliche Konzept für die Elfleinhöfe. Darin steht, im KuZe solle ein „Schmelztiegel aus Kultur, Wissenschaft und Politik“ entstehen. Über ein NutzerInnen-Plenum steht in dem Papier dagegen kein Satz.
Wohl auch deswegen fällt die Kritik von Ruberg an dem nicht gewählten Gremium besonders heftig aus. Neue studentische Initiativen würden dadurch nur schwerlich einen Zugang ins KuZe finden, eben weil es von einer „alteingesessenen Truppe“ und dem Plenum geführt werde. Dazu gäbe es keine Kontrollinstanz, sagt Ruberg: „Das Studentenparlament kann nicht einmal eine Aufsichtsfunktion übernehmen.“ Dagegen wirft KuZe-Chef Brödno der GAL und Ruberg vor, dass Plenum zwar zu kritisieren, aber kaum einmal dort gewesen zu sein: „Das Gremium gibt es extra dafür, dass sich Studenten möglichst ohne Hürden am KuZe beteiligen können und nicht erst in den AStA gewählt werden müssen.“ Auch Tamas Blenessy vom AStA lobt den „basisdemokratischen Prozess“ im Plenum, wo wöchentlich solange diskutiert werde, „bis alle mit einer Veranstaltung oder Entscheidung leben können“. Diese Stunden ehrenamtlichen Engagements seien nicht selbstverständlich. Unterschiedlicher können Sichtweisen kaum sein.
Daneben ist das KuZe auch nur ein Thema, bei dem die Fronten zwischen AStA-Koalition und der GAL verhärtet sind. Denn nachdem die GAL bei den Stupa-Wahlen zwar auch dieses Jahr stärkste Kraft geworden ist, die Koalition aber zum wiederholten Mal ohne sie gebildet wurde, schießen beide Lager nun fast wöchentlich gegeneinander. Der schwerste Vorwurf der Opposition lautet dabei Vetternwirtschaft: Bewerbungen für Posten des AStAs würden nach politischer Gesinnung vergeben. Das Gremium betreibe überdies Klientelpolitik bei der Vergabe von Fördergeld. Dagegen spricht AStA-Sprecher Blenessy davon, dass Jobs in dem Gremium nach Qualifikation vergeben worden seien. Und verweist auf den Landesrechnungshof, der dem AStA eine „ordnungsgemäße Haushaltsführung“ bescheinigt habe. „Wir waren sogar so gut, dass es keinen Prüfbericht geben wird“, sagt Blenessy.
Wer mit Claas Hasslinger vom konservativen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) über das KuZe spricht, bekommt ein etwas differenzierteres Bild. Vor zwei Jahren war er der dafür zuständige AStA-Referent. Schon damals wusste der RCDS-Politiker um das Image als linker Laden, um die Probleme, ehrenamtliche Arbeit geregelt zu organisieren und doch von Fördergeld abhängig zu sein. Dagegen tun konnte er nur wenig: „Das Problem ist, dass selbst ein anderer AStA als jetzt kaum Chancen hat, dort etwas zu ändern, ohne die Strukturen zu sprengen.“ Dies sei der Balanceakt, es sich trotz nötiger Reformen nicht mit dem Plenum zu verscherzen, weil sonst die Arbeit im KuZe erlahmen würde, so Hasslinger: „Ein Strukturwandel kann nur besonnen und vorsichtig funktionieren.“
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