ZUR PERSON: „Eine ganze Generation wird vergessen“
Seit Ende April gibt es keinen Jugendtreff mehr in der Innenstadt: Dirk Harder über eine hoffnungslose Suche nach Alternativen
Stand:
Herr Harder, der Jugendclub Spartacus in der Schlossstraße ist schon seit Anfang Mai geschlossen. Doch erst vergangene Woche kam es zur Schlüsselübergabe an die Eigentümer. Gab es Probleme?
Der Jugendclub Spartacus wurde noch bis zum 28. April betrieben. Dann gab es die Vereinbarung mit den Privateigentümern, dass wir das Haus renoviert übergeben. Also weiße Wände und saubere Fußböden. Das hat uns neben der Zeit auch 15 000 Euro gekostet, die ich sehr gern woanders investiert hätte.
Warum der Auszug?
Als wir den Lindenpark e.V., der den Spartacus in der Schlossstraße betrieb, von der alten Geschäftsleitung übernommen hatten, haben wir die alten Verträge gesichtet. Dabei haben wir festgestellt, dass es für den Spartacus einen Staffelmietvertrag gab. Der sollte in diesem Jahr endgültig greifen und so wären monatliche Kosten von 10 000 Euro auf uns zugekommen. Das war betriebswirtschaftlich gesehen ungünstig, denn 10 000 Euro im Monat nehmen wir einfach nicht ein.
Der Jugendclub Spartacus hatte sich aber etabliert.
Was uns die Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Denn der Spartacus ist zu dem Szeneangebot geworden, wie wir es erhofft hatten. Im Grunde war es für uns eine Katastrophe, dieses Haus aufzugeben, wenn es so gut läuft.
Jetzt haben Sie ein Provisorium in einem Ladengeschäft in der Holzmarktstraße eröffnet. Ist dort eine vernünftige Jugendarbeit überhaupt möglich?
Es ist nur eine Anlaufstelle für die zwei Sozialarbeiterinnen, die den offenen Treff in der Schlossstraße betreut haben. Da gab es eine klare Absprache mit dem Jugendamt, denn die beiden sind die einzigen Sozialarbeiter in der Innenstadt. Darum habe ich das Ladengeschäft angemietet, denn die erhoffte, nahtlose Übergangslösung gab es leider nicht.
Gab es Alternativen zum Spartacus?
Ja, wir haben uns schon verschiedene Objekte angeschaut. Es gab Vorschläge und Verhandlungen, wie beispielsweise die Polizeiwache Nord. Aber dabei handelt es sich um eine Liegenschaft des Landes. Wir haben uns auch in der Berliner Straße eine Villa angeschaut, die von Pro Potsdam verwaltet wird, aber die hätten wir uns nicht leisten können. Entweder scheiterte es an den ungeklärten Eigentumsverhältnissen, an den zu hohen Kosten oder einfach an der Lage.
Jetzt wurde der Standort Schiffbauergasse als Alternative ins Gespräch gebracht. Gibt es dort überhaupt freie Räume?
Mir wurde von Betreibern in der Schiffbauergasse gesagt, dass es keine freien Räume gibt. Insofern muss diese Frage von denen beantwortet werden, die den Vorschlag gemacht haben. Grundsätzlich sage ich natürlich nicht Nein, aber ich sage auch nicht, dass dieser Vorschlag die tollste Idee ist. Wir haben auch die Jugendlichen befragt und die stehen diesem Vorschlag ablehnend gegenüber.
Warum ist ein Jugendclub in der Schiffbauergasse keine gute Idee?
Wenn man sich zum Ziel gesetzt hat, an diesem Standort Kultur zu etablieren, die auch Besucher von außerhalb anziehen soll, ist es fraglich, ob das der richtige Ort für einen offenen Jugendtreff sein kann.
Wie viele Jugendliche kamen in den Spartacus?
Wir hatten in dem Gebäude zwei Etagen genutzt. Oben war der Jugendclub untergebracht, wo selbst organisierte Konzerte stattgefunden haben, zu denen bis zu 150 Jugendliche kamen. In der mittleren Etage konnte es vorkommen, dass wir über die Nacht verteilte 400 bis 500 Leute bei einer Elektro-Party zählten. Es wurden dann immer mehr. Das Tragische ist ja, dass sich der Spartacus richtig etablierte hatte, als es schon zu Ende ging.
Im Erdgeschoss gab es noch das Internet- Café.
Ja, aber das störte den Veranstaltungsbetrieb. Wir hätten diese Räume gern für verschiedene Veranstaltungen genutzt. Möglicherweise hätte sich das Haus dann auch gerechnet. Aber das konnten wir nicht, weil das vertraglich so geregelt war.
Wo gehen die Jugendlichen nach der Schließung des Spartacus hin?
Momentan ist Sommer, da hat so ein Jugendclub üblicherweise weniger Angebote. Da gibt es genug Openair-Angebote. Das wird erst wieder mit der kalten Jahreszeit dringlicher.
Ein Problem bei der Suche nach einem neuem Gebäude für einen Jugendclub in der Innenstadt wird auch der zu erwartende Geräuschpegel sein. Jugendliche wollen laute Musik hören, nicht immer Rücksicht nehmen müssen. Da findet die Toleranz in der Nachbarschaft schnell ein Ende.
Das haben wir ja schon beim Spartacus zu spüren bekommen. Eine solche Jugendeinrichtung, wenn sie erfolgreich ist, hat immer mit bestimmten Randerscheinungen zu tun. In den warmen Monaten halten sich die Jugendlichen auch vor dem Haus auf, sind laut. Aber das ist völlig normal und damit muss man umgehen können. Das muss man auch bei einer Planung für einen solchen Standort berücksichtigen. Es gab beispielsweise den Vorschlag, einen Jugendclub in der ehemaligen Schule 19 in der Burgstraße unterzubringen. Doch das ist unmöglich, weil das Gebäude genau zwischen zwei Seniorenheimen liegt.
Gibt es in der Innenstadt überhaupt Gebäude oder Grundstücke, die diese Kriterien erfüllen?
Da wird es schwierig. Bestimmte Flächen wie das ehemalige RAW-Gelände am Bahnhof oder in der Speicherstadt, die sich anbieten, werden für den Wohnungsbau genutzt. Dann das Stadtschloss mit seiner Bannmeile, der Platz für Jugendliche wird immer enger.
Fehlt da vielleicht die nötige Bereitschaft?
Ich glaube, die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik haben die Jugendkultur ein wenig aus den Augen verloren.
Es besteht aber akuter Handlungsbedarf?
Ja, und viele Kulturanbieter stimmen mir da zu. Das Problem besteht darin, dass in dieser Hinsicht eigentlich vorausschauend geplant werden muss. Stadtplanung funktioniert nicht von einem Jahr auf das nächste. Da muss man mindestens fünf Jahre weiter schauen. Und in fünf Jahren werden die Flächen, die jetzt noch zur Verfügung stehen, längst anders genutzt. Dann sind wir zwar die nette Touristenstadt, aber das kulturelle Angebot für Jugendliche, für eine ganze Generation in der Innenstadt, haben wir vergessen.
Vielleicht gibt es ja gar nicht so viele Jugendliche in der Innenstadt.
Das werden noch viel mehr. Es gibt das Phänomen des Geburtenknicks, auf das wir immer wieder hinweisen. In drei bis vier Jahren wird sich die Zahl der 13- und 14-Jährigen, die in der Innenstadt leben, verdoppeln. Und dabei reden wir noch nicht von denen, die von außerhalb kommen, weil sie sich von der Innenstadt angezogen werden. Die haben den ganz klaren Willen, ihre Freizeit hier zu verbringen.
Das würde bedeuten, wenn es keine Einrichtungen gibt, die Jugendlichen „lungern“ überall rum?
Natürlich. Jugendliche suchen sich Räume, was mit negativen Begleiterscheinungen verbunden ist. Mittlerweile gibt es Jugendliche, die Veranstaltungen im Spartacus organisierten, die darüber nachdenken, Potsdam den Rücken zu kehren und nach Berlin zu gehen, um dort ihre Angebote zu verwirklichen.
Wäre der Lindenpark eine Alternative?
Nein. Der Lindenpark liegt am Rand der Stadt. Er hat eine Bedeutung für Babelsberg und man macht sich nur auf den Weg zum Lindenpark, wenn das Angebot stimmt. Und um Leute aus der Innenstadt anzusprechen, müssen die Veranstaltungen auch dementsprechend groß sein. Der Lindenpark kann nicht ansatzweise die Lösung sein.
Sehen Sie denn zurzeit überhaupt Möglichkeiten oder Alternativen für einen Jugendclub wie den Spartacus in der Innenstadt?
Momentan gibt es keine Hoffnungen. Es gibt Bereiche, die möglicherweise demnächst freigezogen werden. Das sind aber Lösungen, die frühestens in drei oder vier Jahren umgesetzt werden könnten. Da wäre das ehemalige DRK-Gelände an der Hebbelstraße, wo derzeit noch Depots vom Potsdam Museum untergebracht sind. Auch die Volkshochschule soll in zwei Jahren frei werden. Oder wenn die Feuerwache in der Werner-Seelenbinder-Straße frei wird. Das würde genau hinter den Studentenwohnungen in der Breiten Straße liegen, was natürlich ideal ist. Aber das kann nur die Stadt verhandeln.
Wünschen Sie sich seitens der Verwaltung mehr Unterstützung?
Ja, auf jeden Fall. Es wird einfach nicht genug getan. Wir als Träger der Kultureinrichtungen schaffen das nicht allein.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Dirk Harder, 1967 in Potsdam geboren, ist Geschäftsführer im Stadtjugendring Potsdam e.V. und Vorstandsvorsitzender Lindenpark e.V.
Seit 1982 ist Dirk Harder ehrenamtlich im Jugendbereich in Potsdam tätig, hauptberuflich seit 1986 in verschiedenen Bereichen der Potsdamer Jugend- und Kulturarbeit.
Im Jahr 2001 übernahm er die Geschäftsführung im Stadtjugendring, vor zwei Jahren den Vorstandsvorsitz im angeschlagenen Lindenpark e.V. und versucht nun, das traditionelle Veranstaltungshaus in Babelsberg wieder auf Kurs zu bringen. Seit 1998 ist Dirk Harder Mitglied im Jugendhilfeausschuss.
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