Landeshauptstadt: Eine gut angefeuchtete Nacht
80 000 waren in Potsdam „mittendrin“ trotz Regeneinlagen / Begeisterung über die Mööps, Mc Kaki und den Neil Young des Ostens / Gastronomen zufrieden
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Es wurde vor allem eine 3. Erlebnis- „Nacht“. Hatte der Himmel mit seinen Sondereinlagen über den Tag noch manchmal die „mittendrin“-Besucher unter die Regenschirme und in die Innenräume der Gaststätten und Geschäfte gescheucht, so füllten sich die Straßen am Sonnabend nach jedem Schauer sofort wieder und waren dann gegen 20 Uhr proppevoll. Zur 3. Potsdamer Erlebnisnacht kamen nach Schätzung von Mittendrin-Chef Jörn Rohde an die 80 000 Besucher – ein neuer Rekord. Die Flucht unter die Schirme schweißte das feierfröhliche Völkchen noch mehr zusammen. Als „Der Gundling“ unter den Regendächern vorm Rossini in der Friedrich-Ebert-Straße Reime am laufenden Band ablieferte, flossen nicht nur Himmels-, sondern auch jede Menge Lachtränen. Die Erfindung der Kunstfigur nach historischem Vorbild ist dem Weimarer Schauspieler Theo Theodor so gut gelungen, dass er garantiert auch eine herrliche Galionsfigur für künftige Erlebnisnächte abgibt. Er reime schon seit frühester Jugend, erzählt er, da gebe es fast auf alles eine passende Antwort, zum Beispiel zur Wetterlage: „Wenn man etwas Regen hat, ist sauber dann die Innenstadt.“
Sauber und sehr flott kam nach dem Regenguss die Modeschau bei Karin Genrich einher. Sie und die mit ihr verbündeten Einzelhändler zeigten farbenfroh noch einmal Reminiszenzen an den Sommer, für den Herbst dann die Farbe Grau in erstaunlichen Variationen, dazu meist Klassisches für die Herren, modische Brillen und Schmuck. Ein Abstecher ins Karstadt-Kaufhaus wurde dort kurzweilig durch Rokoko-Tänze aufgelockert. Kaufhaus-Chef Harald Kirchfeld war insgesamt sehr zufrieden mit der Kauflust. Man habe mindestens so viel Umsatz gemacht wie im Vorjahr. Auch das Sporthaus Olympia lockte mit vielen Sommerschlussverkaufsangeboten und wurde stark frequentiert. Die Damen ließen sich mit dem Einkauf offenbar etwas mehr Zeit, denn bei Libertys Women ging es erst gegen 21 Uhr richtig zur Sache, während man dem Holzschnitzer aus Seiffen vor dem Rogler-Geschäft bereits am Nachmittag interessiert zuschaute. Allerdings lief es nicht bei allen Einzelhändlern so gut. Bei No.el, wo einjähriges Bestehen gefeiert wurde, war im Vorjahr mehr los, meinte Andrea Rühr. Und bei frou-frou in der Jägerstraße saß die Schau-Näherin ziemlich vereinsamt da, weil die Besucher alle an der Bühne der Freien Versicherung nahe der Brandenburger Straße halt machten. Wenig Flanierpublikum auch in der Gutenbergstraße, obwohl sich die Händler einiges hatten einfallen lassen. Dafür aber viel Publikum in der neueingerichteten Marktstraße Hegelallee. Die Kids töpferten bei den beiden Berlinerinnen Christa Jörn und Antje Dressel sogar bis in die späte Nacht. Die Mittelstraße im Holländischen Viertel hatte sich zum echten Renner gemausert, 17 Händler hatten geöffnet, dazu natürlich die Restaurants und am Ende der Straße wirkte der „Neil Young des Ostens“ Carly Peran mit seiner Band wie ein Sog. „Einmal im Jahr“, meinte dazu Ralf Hildebrandt von der Hohlen Birne, „muss man sich einfach etwas Besonderes gönnen.“
Die Erlebnisnachtbesucher konnten sich musikalisch und lukullisch übrigens wieder jede Menge gönnen. Ein paar Bratwurstgrills könnten allerdings noch gegen etwas Einfallsreicheres, Aparteres ausgetauscht werden. Aber jede Erlebnisnacht ist eine neue Erlebnisnacht und neue Ideen sind erwünscht, auch wenn das Konzept, die barocke Innenstadt mit kleinteiligen Angeboten zu beleben, schon gut aufgeht. Wem zum Beispiel südamerikanisches oder spanisches Temperament zusagte, der fand Flamenco, Salsa beziehungsweise Reggae an gleich mehreren Orten und am Nauener Tor herrschte mit Mc Kaki eine Bombenstimmung. Da hatten es die Chorupten, ein Berliner A-capella-Männerchor, schon etwas schwerer. Ganz ohne Technik zogen sie trotzdem die Zuhörer in ihren Bann.
Um aber richtige Straßenmusik mit witzigem Einschlag zu machen und die Leute hellauf zu begeistern, muss man offenbar aus der Schweiz kommen und einen Fastnachts-Hintergrund haben. Die Mööps waren über die Städtepartnerschaftsverbindung eingereist. Die zwölf Musiker, diesmal mit Blechblasinstrumenten ausgerüstet, spielen in ihrer Heimatstadt Luzern unter anderem zur Fastnacht auf und sorgen für eine solche Stimmung, dass ihnen auch die Potsdamer nicht widerstehen konnten. Bis zum Montag sind sie zu Gast in der Stadt und finden ihren Partner a priori sehr schön. „So gemütlich“, „so herrlich kann man hier einen Kneipenbummel machen“ wurde geschwärmt. Den Flug Potsdam-Luzern hat übrigens die Schweizer Schwester bezahlt, die man ob so viel Großzügigkeit nur lieben kann.
Aber auch an den beiden Bühnen, wo Salsa getanzt werden konnte, war die Stimmung prächtig. Die Schweißtropfen rannen, aber lockerlassen gab es nicht. Ob Kids oder Erwachsene, es wurde unter Anleitung des Clubs Latino und anderer Lehrer getanzt, was das Zeug hielt. „Ich komme extra zum Tanzen hierher“, meinte Felicitas Helmschmied und pustete geballte Anstrengung in den Abend. Das Ehepaar Wuttke entspannte dagegen und hatte Bücher gekauft. Die 3. Erlebnisnacht, so das Resümee, wurde wieder fröhlich-friedlich gefeiert. Ganz ohne Zwischenfälle, wie die Polizei bestätigte. Oberbürgermeisterstellvertreterin Elona Müller, die das Mittendrin-Fest am Nachmittag eröffnet hatte, genoss das kunterbunte Treiben ebenfalls, tanzte ein bisschen mit und machte speziell einen Abstecher zu den Angeboten für Kinder.
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