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Landeshauptstadt: Eine heiße Mischung

Rock, Pop, Klassik und Musical unter einem wilden Sommerhimmel – zum 12. Stadtwerke-Fest im Lustgarten kamen 40 000 Besucher

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Der Sommer – er schien geradezu auf das Stadtwerke-Fest gewartet zu haben. Am Wochenende traf beides ungestüm zusammen, eine heiße Mischung, die Tausende Besucher anzog. Sie ließen sich von den oft bedrohlich schwarzen Wolkenmassen kaum beeindrucken. Am Ende ging diese Strategie auf: Außer ein paar Tropfen am Freitagabend herrschten zum 12. Stadtwerke-Fest hochsommerliche Temperaturen, der Lustgarten machte seinem Namen alle Ehre.

Geschätzt 40 000 Besucher zählte man am Samstag, der traditionell den mittleren und größeren Koryphäen der Rockmusik-Branche gewidmet. Zwar ist unter den geladenen Bands keine Potsdamer (Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz auf Anfrage, warum nicht: „Kennen Sie eine?“), die man immerhin im Vorprogramm hätte unterbringen können. Die Rekrutierung dreier Ost-Bands gleicht insofern einer Hommage an alten Zeiten, was man in diesem Fall ruhig wörtlich nehmen darf.

„Die sind mit uns alt geworden“, hört man von allen Seiten im Publikum, halb überrascht, halb beruhigt. An den Art-Rock-Balladen von „Stern Combo Meißen“ und „Lift“ sei man damals nicht vorbeigekommen, sagt ein Ehepaar aus Ludwigsfelde. Ganz verträumt und mit „Weißt-du-noch-Blick“ erinnert sie ihn an bestuhlte Klubhaus-Konzerte und lacht. „Das heute ist Gänsehaut“, sagt ihr Mann.

Für das Konzert von „Renft“ ist eine Frau aus Berlin gekommen. „Wenn die schon live spielen, das lass ich mir nicht entgehen“, sagt sie. Dass von der halben Stunde Blues-Rock zwei Titel verdaddelt werden, weil Giesbert Piatkowskis Gitarre stumm bleibt, ist schade.

Das sollte nicht das letzte Mal sein, dass an dem Abend die Tontechnik eine lange Leitung zeigt: Ausgerechnet bei Headliner Holly Johnson und ausgerechnet beim ersten Song singt er ins Leere und wird gnadenlos ausgebuht. Es dauert bis in den zweiten Titel hinein, bis die Stimme kommt, dann endlich ist er da, reißt sein Publikum mit und lässt es nicht mehr los, bis ihm die Zugaben um Mitternacht ausgehen: Johnson lässt die 80er-Rocklegende „Frankie goes to Hollywood“ wieder aufleben. Mehr als zwei Konzerte im Jahr gibt der Sänger und Maler nicht, der zu den prägenden Pop-Ikonen seiner Zeit gehörte. Dass er nebenbei eines der schönsten Liebeslieder produziert hat, ist am Samstag zu spüren: „The Power of Love“ verzaubert auch nach fast 30 Jahren. Da werden Feuerzeuge rausgeholt, rückt man zusammen.

Auch Roger Hodgson ist nicht mehr der Jüngste. Vor 30 Jahren verließ der Musiker die Band „Supertramp“ und begann seine Solo-Karriere. Im Programm stehen am Samstag fast ausschließlich Songs der erfolgreichen „Supertramp“-Alben. „Man kennt meine Stimme und meine Lieder, meinen Namen kennt man nicht“, sagt Hodgson, der Mitbegründer von „Supertramp“, lächelnd. Mit der Titelauswahl wolle er dem Publikum entgegenkommen, sagt er pragmatisch. Und: „Es sind ja meine Songs geblieben, auch wenn es ,Supertramp’ nicht mehr gibt. Sie haben die Zeit gut überstanden“.

Der Jetlag macht dem Multiinstrumentalist und Sänger am Ende doch zu schaffen, die Stimme, anfangs beeindruckend klar, „ist etwas kaputt“ nach einer guten Stunde, wie er selbst auf Deutsch sagt. Getragen vom absolut sauberen Zusammenspiel der Band, deren Musiker eigentlich eine eigene Würdigung verdienen, gelingt am Ende sogar noch „It’s raining again“, ohne dass das Omen sich erfüllt.

Zum anschließenden „Meet and Greet“ hat sich eine Jugendgruppe aus Aschersleben, die gerade ein Stück mit seinen Liedern aufgeführt hat, angemeldet. Und Hodgson nimmt sich gern Zeit.

Am Sonntag ist Kindertag mit Bühnenshow und einer Musical-Aufführung. Das Sommerwetter lockt noch einmal viele Familien. Bei den drei Swimmingpools bilden sich schnell Schlangen, auch Trampolin und Elektroautos sind gut nachgefragt. Die Stadtwerke haben eine Erlebniswelt mit Lernfaktor rund um das Thema Energie und Wasser aufgebaut.

Etwa 150 Mitarbeiter, Security, Sanitäter und andere sorgen für einen reibungslosen Ablauf und Sauberkeit auf dem Gelände. Mittwochmorgen wird der Lustgarten besenrein übergeben werden. Etwas fragwürdig hingegen die Moderation durch die Rock-Nacht: Der Auswahl der hochkarätigen Künstler wäre ein qualifizierteres Pausengeplänkel im mittleren Frequenzbereich durchaus geschuldet gewesen.

Das Konzept des eintrittsfreien Festes, von den Stadtwerken Potsdam in diesem Jahr mit 800 000 Euro finanziert, war allerdings aus Kostengründen leicht verändertworden. So gibt es Pop- und Rockmusik nicht an zwei, sondern nur an einem Tag.

Dazu gehört die dänische Sängerin Aura Dione, von der sich besonders die Teenagergeneration angesprochen fühlt. Einmal live sehen, was derzeit im Radio hoch und runter läuft, finden viele toll und „cool“, wie zwei 14-jährige Freundinnen schwärmen. Eine halbe Generation weiter kann man sich für das Programm des Festes weniger begeistern. Die kleine Dänin sei eher „lahm“ rübergekommen, habe insgesamt „wenig gesungen, schade“, sagt eine junge Frau, die mit Freunden, alle Mitte und Ende zwanzig, am Rande des Lustgartens auf einer Wiese lagert. Für sie sei das eher so Hintergrundmusik, ein Tag zum Entspannen. Explizit wegen der Musikauswahl seien sie nicht gekommen. Aber, so eine junge Frau: „Es ist toll, dass hier alle zusammenfinden, von spießig bis tätowiert, von alt bis jung.“

Nach wie vor fungiert der Klassikabend als Opener: Die gemäßigte Lautstärke, bis zu 65 Dezibel gemessen an der Breiten Straße, dürfte Freitagabend niemanden gestört haben – außer ausgesprochene Klassik-Fans, die sich mehr Power auch für den Spanischen Abend und das „Carmen Pasticcio“ mit dem Neuen Kammerorchester Potsdam unter Leitung von Ud Joffe gewünscht hätten. Wer hier auf mitreißende Dezibel hoffte, hatte sich hoffentlich einen der 7000 Sitzplätze im vorderen Rasenparkett kostenlos reservieren lassen. Ud Joffe machte aus der „Not“ eine Tugend: Am Ende sangen die Zuschauer selbst und gar nicht mal schlecht. Laut Veranstalter geschätzte 10 000 Klassik-Fans freuten sich über eine Kostprobe der Seefestspiele Berlin, wo im August die Schlöndorff-Inszenierung der Carmen-Oper in Gänze zu sehen sein wird.

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