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„Im Sommer ist hier die Hölle los.“ Katharina Diekmann und Timm Kleist suchen mit dem „Landleben“ ihre Chance als Gastronomen.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Eine Herzensangelegenheit

Drei junge Berliner wollen ein einstiges Stasi-Paradies am Sacrower See zu kulinarischer Finesse führen

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Das Telefon legt Timm Kleist nicht beiseite. Er fuchtelt damit umher, nimmt es mal in die linke, mal in die rechte Hand oder zeigt damit auf eine Steckdose. Dann stützt er sein stoppeliges Kinn nachdenklich auf das schnurlose Mobilteil ab, um dann zum Elektriker zu sagen: „Ich ruf da gleich an.“ Der gelernte Koch und Restaurantmanager ist in Hektik. Der Sicherungskasten für die Küche fehlt noch, im Foyer stapeln sich halbvolle Farbeimer, Kabel hängen von der Decke – aber sonst ist alles gut. „Ob man ein ganzes Jahr Zeit hat, oder nur einige Wochen – fertig wird doch alles erst in den letzten zehn Minuten“, sagt Kleist und verschwindet im Büro.

Der Weg zum einstigen Spitzel-Paradies in Groß Glienicke führt durch einen dichten Kiefernwald. Vögel zwitschern, Käfer brummen und Schwäne schnattern am Ufer des Sacrower Sees. Seit Anfang Februar mischen sich aber auch ganz andere Geräusche in die Idylle: das Kreischen von Kettensägen, das Plong-plong von Hämmern und das Rattern von Bohrmaschinen. Drei junge Berliner wollen das einstige Erholungsheim der DDR-Staatssicherheit und frühere Restaurant „Waldfrieden“ in der Seepromenade 99 mit Leben füllen. Am Ostersonntag, dem 8. April, soll das Gasthaus unter dem neuen Namen „Landleben“ eröffnen.

„Das hier ist eine Herzensangelegenheit“, sagt Timm Kleist. Der Geschäftsführer ist 28 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin Katharina Diekmann, 27 Jahre, und seinem Partner und Küchenchef Matthew Davies, 32 Jahre, hat er das Waldfrieden übernommen, samt Kiosk an der nahen Badestelle und sieben Hotelzimmern. Die drei hätten lange über die Investition nachgedacht. Zunächst schien ihnen das Risiko zu groß, sagt Kleist. „Aber im Sommer ist hier die Hölle los.“ Fast ein ganzes Jahr beobachteten sie das Restaurant – an Wochenenden und in der Woche. Selten waren sie allein. Potsdamer und Berliner kommen hierher, um mit ihren Familien für ein paar Stunden oder ein paar Tage Urlaub zu machen, sagt Kleist. „Es ist ein traumhafter Platz“ – den Kleist und seine Freundin nun auch bewohnen. Sie haben die Einliegerwohnung im Dachgeschoss des Hauses bezogen.

Katharina Diekmann, gelernte Hotelfachfrau und studierte Betriebswirtschaftlerin, führt gerne durch das geschichtsträchtige Gasthaus. Bevor die Staatssicherheit ihre Spitzel zu DDR-Zeiten zur Erholung hier herschickte, lagerte ein Sekthändler im Haus seine Ware. Auch ein Restaurant betrieb er. Die Stasi ergänzte den flachen Bau am Seeufer später mit einigen Lauben im Wald. Noch heute sind die Fundamente der Bungalows zu sehen. Nach dem Fall der Mauer wurde das Haus wieder als Lagerstätte genutzt: statt Sekt diesmal Stoßdämpfer. Erst später zogen hier wieder Köche, Kellner und Hoteliers ein.

Von den Fliesen bis zu den Lampen haben die drei jungen Berliner fast alles im Inneren verändert. Die Toiletten sind erneuert, im Foyer soll eine kleine Hausbibliothek entstehen und im Gastraum wurde der Tresen modernisiert. Das Parkett ist frisch abgezogen und geölt. Familie und Freunde hätten mitangepackt, sagt Diekmann. „Die haben sich gefreut, mal aus der Stadt herauszukommen.“ Im Untergeschoss wurde der rosa Putz von den Wänden geschlagen. Die sieben Hotelzimmer erstrahlen in weiß und bläulichem Petrol. Etwa 50 Euro soll eine Übernachtung im Doppelzimmer samt Frühstück kosten. Etwa 40 Euro kostet ein Zimmer mit Gemeinschaftsbad. „Wir wollen uns Stück für Stück vergrößern“, sagt Diekmann. Ab Herbst soll auch der Veranstaltungssaal vermietet werden.

Das Landleben ist knapp 50 Meter vom Mauerradweg gelegen, auch ein Waldweg führt am Ufer entlang zum Restaurant. Die Speisekarte steht bereits: Weideochse mit Kartoffelgratin oder Flammkuchen mit hausgebeiztem Lachs sind darauf zu finden.

„Wir legen aber auch sehr viel Wert darauf, dass wir mit saisonalen und regionalen Produkten arbeiten“, sagt Kleist. In der Küche werde vor allem Matthew Davies zu Gange sein. Der Engländer hat vorher schon in New York, Frankreich und in der Schweiz gekocht. Zusammen haben Kleist und Davies in Berlin das Restaurant „Fagiano“ zu einem Namen gebracht. „Wir haben die beste Pasta Berlins“, sagt Kleist. Die Nudeln sollen nach Groß Glienicke exportiert werden. Neben Fleisch und Gemüse von Landwirten der Region und Kräutern aus dem eigenen Garten soll es frischen Hecht, Steinkarpfen und Zander aus dem Sacrower See geben.

„Ein Glas Wein auf der Seeterrasse, dazu ein Fisch, von dem ich weiß, dass er am Morgen noch geschwommen ist, das wird großartig“, sagt Kleist. Dann legt er das Telefon wieder ans Ohr. Der Sicherungskasten muss noch bestellt werden.

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