Homepage: „Eine kleine medizinische Sensation“
Bewertung des Risikos präzisieren“ Ernährungsforscher Hans-Georg Joost über einen neuen Marker für Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko
Stand:
Herr Prof. Joost, Sie haben zusammen mit Kollegen am DIfE und in Tübingen einen Marker entdeckt, der etwas über das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall aussagt. Kann der Arzt in Zukunft am Blutbild ein solches Risiko ablesen?
Durch die Bestimmung des von uns entdeckten Fetuin-A-Markers im Blut eines Patienten wird tatsächlich die Möglichkeit verbessert, Personen mit einem hohen Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zu identifizieren. Vielleicht lässt sich damit eine Lücke in der Präventivmedizin schließen. Wir kennen viele Risikofaktoren für den Herzinfarkt, wie etwa Übergewicht, hoher Cholesterinspiegel, hoher Blutdruck oder Diabetes Mellitus. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen fallen diese Risikofaktoren aber nicht auf: auch Normalgewichtige mit leicht erhöhtem Blutdruck- und Cholesterinwerten können einen Herzinfarkt erleiden. Daraus folgt die Notwendigkeit, weitere Risikofaktoren zu finden. Das Besondere am Fetuin-A – einem Protein, das in der Leber gebildet wird – ist, dass sein Blutspiegel von den anderen Risikofaktoren unabhängig sind und deshalb eine zusätzliche Information zum Erkrankungsrisiko liefert.
Eine herkömmliche Blutabnahme reicht zur Bestimmung des Markers aus?
Sie würde reichen. Die Bestimmung ist aber noch nicht so ausgereift, dass sie routinemäßig und kostengünstig vorgenommen werden kann. Daran wird zurzeit von unseren Kooperationspartnern in Tübingen gearbeitet.
Welche Rolle spielt das Fetuin-A?
Die Ursache von Herzinfarkt und Schlaganfall ist eine Atherosklerose, das heißt eine Verengung der Arterien mit fett- und kalkhaltigen Ablagerungen. An der Entstehung der Atherosklerose sind Entzündungszellen, sogenannte Makrophagen, beteiligt. Fetuin-A ist unserer Meinung nach ein Marker für die krankhaften Veränderungen, die von einer Entzündung ausgehen und dann die Arteriosklerose verursachen. Dieser Marker könnte anzeigen, dass die Arteriosklerose nicht nur schlimmer wird, sondern auch zur Verlegung des Gefäßes führt.
Um welche Entzündungen handelt es sich dabei?
Man nimmt zurzeit an, dass es sich um eine auf die Blutgefäße begrenzte Entzündung handelt. Sie äußert sich nur in Laborwerten, nicht durch Fieber oder Krankheitsgefühl wie akute Entzündungen an anderen Organen.
Ist die Entdeckung des neuen Markers nicht eine kleine medizinische Sensation?
Wenn Sie so wollen, ja. Das Fetuin-A wird wahrscheinlich zusammen mit den herkömmlichen Risikofaktoren die Risikobewertung für Herzinfarkt und Schlaganfall erheblich präzisieren können.
Sie sind Ernährungsforscher, wo liegt der Zusammenhang mit der Ernährung?
Herzinfarkt und Schlaganfall sind durch eine gesunde Ernährung beeinflussbar. Wir untersuchen in der großen epidemiologischen EPIC-Potsdam-Studie, ob das Risiko durch bestimmte Ernährungsweisen erhöht oder gesenkt wird. Der Befund zum Fetuin-A war ein erfreuliches „Nebenprodukt“ dieser Studie.
Inwieweit lässt sich das Herz-Kreislauf-Risiko überhaupt durch die Ernährung beeinflussen?
Man kann das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall senken, indem man viel Obst und Gemüse verzehrt und zudem auf die Fettaufnahme achtet. Dabei sollte nicht nur weniger Fett verzehrt, sondern auch auf mehr pflanzliche, ungesättigte Fette – etwa Lein- oder Rapsöl – umgestellt werden. Besonders wichtig sind die ungesättigten Omega-3-Fette, wie sie etwa in fettem Fisch und Nüssen vorkommen. Wir wissen, dass sie das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen senken. Auch die Reduktion von zu hohem Körpergewicht kann das Erkrankungrisiko senken.
Mittlerweile gibt es für fast jede Erkrankung eine Ernährungsempfehlung. Manch einer weiß schon gar nicht mehr, wie er sich nun verhalten soll.
Nahrungsmittel sind komplizierte, variable Substanzgemische, deren Bestandteile sehr verschiedene Wirkungen haben können. Deshalb sind die Beziehungen zwischen der Ernährung und den Krankheitsrisiken auch so kompliziert: Für jedes einzelne Krankheitsrisiko können die Empfehlungen verschieden sein. So senkt Obst und Gemüse – Faustregel fünf mal am Tag eine kleine Portion – das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, nicht aber das für Diabetes und mehrere Krebsarten. Vollkornprodukte – zwei bis vier Scheiben Vollkornbrot pro Tag – wiederum haben einen deutlichen, günstigen Effekt auf das Diabetes- und das Darmkrebs-Risiko. Zu berücksichtigen ist auch, dass biologische Effekte dosisabhängig sind und bei hohen Dosierungen auch in negative Wirkungen umschlagen können. Deshalb dürfen die Empfehlungen nicht zu einseitiger Ernährung führen.
Ihre Empfehlung für eine gesunde Ernährung?
Ich rate zu einer vielseitigen Ernährung mit viel Obst und Gemüse, viel Ballaststoffen, am besten Vollkornbrot. Mehr pflanzliche, mehrfach ungesättigte Fette. Weniger, das heißt nur ein- bis zweimal die Woche, rotes Fleisch – also Schwein, Rind, Wild –, weniger Wurst aus rotem Fleisch. Wenn tierisches Protein, dann Geflügel oder Fisch. Kalorienreiche Lebensmittel – Süßigkeiten oder Fast Food – sind nicht verboten, sollten aber nur gelegentlich verzehrt werden. Schließlich wenig Alkohol. Das Körpergewicht sollte stabil bleiben, sonst muss leider doch auf Kalorienträger verzichtet werden.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
Hans-Georg Joost (60) ist wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Bergholz-Rehbrücke, er ist Professor für Pharmakologie an der Uni Potsdam.
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