Von Michael Meyer: Eine kleine Sensation
Warum derzeit zwei junge nordkoreanische Fußballerinnen bei Turbine Potsdam mittrainieren
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Es ist schon eine kleine Sensation, die derzeit im Potsdamer Luftschiffhafen zu sehen ist: Mit Myong Hwa Jon und Un Hyang Kim – Stürmerin und Mittelfeldspielerin – trainieren derzeit zwei nordkoreanische 15-Jährige beim Frauenfußball-Bundesligisten Turbine Potsdam. Begleitet werden die beiden lediglich von einer Mittdreißigerin, die offiziell als ihre Vereinstrainerin Mi Hyang Kim vorgestellt wurde. Daheim in Pjöngjang spielen die beiden Sportschülerinnen für den Landesmeister 4.25 Sports Club Pjöngjang. Der führt laut Mi Hyang Kim auch jetzt wieder in der obersten Spielklasse, in der zwölf Mannschaften kicken.
„Das sind zwei für ihr Alter außerordentlich gut ausgebildete Mädchen“, sagt Turbine-Cheftrainer Bernd Schröder nach den ersten Übungseinheiten mit den beiden Asiatinnen. Die zeigen ihr Können mit den Füßen, halten sich verbal aber sehr zurück. Sie bekäme hier sehr positive Eindrücke, ließ Jon zumindest verlauten, und Kim verriet, dass sie aus Deutschlands Fußball namentlich Miroslav Klose kenne. Ob die beiden Kickerinnen nach ihrer morgigen Abreise später wieder nach Potsdam dürfen, um die hiesige Sportschule zu besuchen und beim Verein sportlich weiter ausgebildet zu werden, ist derzeit noch offen.
„Natürlich würden wir uns freuen, denn die beiden passen technisch und athletisch sehr gut in unser Spielsystem“, so Schröder, der Jon und Kim vorher schon auf DVD-Aufnahmen von der U17-Weltmeisterschaft 2008 in Neuseeland gesehen hatte. Damals hatten die beiden mit Nordkorea in der Vorrunde gegen Deutschland 1:1 gespielt – wobei Jon mit dem Ausgleich das erste ihrer vier WM- Tore erzielte – und später den WM-Titel gewonnen. Zum deutschen Team zählten damals mit Anna Felicitas Sarholz, Marie- Louise Bagehorn und Tabea Kemme drei Potsdamerinnen. „Dies und die optimalen Bedingungen für junge Spielerinnen hier bei uns dürften wesentlich dazu beigetragen haben, dass wir jetzt die beiden Talente zu Gast haben“, meint Schröder.
Eingefädelt wurde der Deal von zwei Südkoreanern aus Japan und Deutschland. Taejo Yoon aus Tokio, der als lizensierter FIFA-Spielervermittler seit Jahren sehr gute Kontakte zu Nordkoreas Fußballverbandsspitze und bis in höchste politische Kreise des kommunistischen Staates hat, erhielt von dort die Anfrage, wohin Spielerinnen und Spieler des Landes eventuell zur weiteren Ausbildung geschickt werden könnten. Yoon setzte sich mit dem Kölner Markus Han in Verbindung, mit dem er im Sportmanagement des öfteren zusammenarbeitet, und der dachte schnell an Turbine. „Potsdam ist als gute Adresse bekannt. Hier wird viel mit jungen Spielerinnen gearbeitet. Ich habe locker angefragt und gleich offene Ohren gefunden“, erzählt Han, der derzeit als Dolmetscher in Potsdam dabei ist. Die Einladung Turbines erfolgte rasch. Wegen eines Raketentests in Nordkorea und der damit verbundenen Verurteilung des Landes durch den UN-Sicherheitsrat verzögerte sich die Reise Kims und Jons um einige Wochen, kam dank Yoons weiteren Bemühungen aber doch zustande.
„2005 haben schon mal zwei ältere Spielerinnen des gleichen nordkoreanischen Klubs ein halbes Jahr in Schweden gespielt“, erklärt Yoon. „Dass jetzt sehr junge und schon erfolgreiche Mädchen diese Möglichkeit erhalten könnten, ist ein neuer Schritt.“ Der Sport und vor allem Fußball werde durch das sich selbst abschottende Land auch als ein Aushängeschild betrachtet, glaubt der 45-Jährige. „Darum“, so Yoon, „könnte es nun als wichtig erachtet werden, dass Fußballerinnen und Fußballer auch Auslandserfahrungen sammeln.“ Neben Jon und Kim gä- be es derzeit für keine anderen Spielerinnen des Landes die Möglichkeit dazu; ein Nordkoreaner spielt derzeit in Russland.
„Dass hier in Potsdam ist ein Pilotprojekt, das auch von nordkoreanischer Seite sehr aufmerksam beobachtet wird. Gibt es positive Erfahrungen, könnten eventuell weitere Spielerinnen nach Europa kommen“, sagt Taejo Yoon. Und: „Man sollte nicht erwarten, dass die beiden jungen Spielerinnen gleich eine Verstärkung für die Bundesliga-Mannschaft sind. In Vordergrund steht bei diesem Projekt vor allem die Völkerverständigung.“
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