Landeshauptstadt: Eine Leiche zum Dinner
In der Villa Kellermann wird zum Vier-Gänge-Menü eine Opera Mortale gegeben / Auch Sie könnten die Leiche sein!
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Es ist das richtige Mörderwetter am Donnerstagabend. Der Wind rüttelt an Häusern und Bäumen, eisiger Regen fällt, doch drinnen in der Villa Kellermann ist es hell und warm und die nach einem Vier-Gänge-Menü lechzenden Gäste stimmen sich schon immer mal mit Wein, Bier und auch Tee auf den Abend nach einem Besuch der Oper Carmen ein. Auf ihren Tischen finden sie Kärtchen mit ihrer Vita und verwandeln sich unversehens in Opernstars, technisches Personal bis hin zur Souffleuse Susi Sorge, die sich tatsächlich um alles sorgt, und in Mäzene des Opernensembles. Das alles geschieht ganz zwanglos und als die Schauspieler der Truppe „Die Auftakter“ zu den übrigen Gästen stoßen, haben sich alle schon an ihr zweites Leben gewöhnt und die fiktive Unterhaltung, die von den sieben Akteuren der „Opera Mortale“ in Gang gesetzt wird, ist für alle ein Mordsgaudi. Oh je und da ist das Wort schon wieder. Aber die Angst, jeder könnte die Leiche sein, hält sich in Grenzen. Da kommen eher Verdächtigungen auf, wer der Mörder der Operndiva Magnetha Pelati ist und die wuchern denn auch gewaltig, nachdem die extrovertierte Dame vergiftet das Zeitliche segnet.
Da haben sich die Gäste schon einen winterlichen Salat mit geräucherter Entenbrust und eine pikante Maronensuppe schmecken lassen und es ist kurz vor 22 Uhr. Die Spannung und der Appetit auf die Truthahnbrust mit Quittenrotkohl steigen und manch einer knabbert unruhig der Dinge harrend, die da kommen sollen, noch ein Scheibchen Brot. Dann aber wird der leckere Hauptgang aufgetischt und eine Journalistin und ihr Fotograf, die eigentlich die Carmen-Premiere beschreiben beziehungsweise bebildern wollten, versuchen den Mord aufzuklären und die Verdächtigen vorzuführen.
Das erwies sich im großen Saal des Kellermannhauses als etwas schwierig, da der Raum vom normalen Sprachgewirr der Gäste stark widerhallte und die Protagonisten enorme Mühe hatten, den Fortgang des detektivischen Geschehens stimmgewaltig rüberzubringen. Da war am nächsten Tag wohl einige Heiserkeit zu kurieren. „Das ist der Grund, weshalb wir bei den Gästen ein Limit von 100 setzen“, meinte die Produzentin des Mordsspektakels Anke Reitzenstein. Insgesamt sieben Schauspieler agierten, gaben unter anderen Startenor José Obskura, den musikalischen Leiter Christian von Boysenberry, einen Mäzen und Liebhaber der Pelati, die spontan mitwirkenden Gäste natürlich nicht gerechnet. Susi Sorge durfte sich jedenfalls mächtig sorgen, auch um die Garderobiere der Diva, die zu den Hauptverdächtigen gehörte und in Tränen aufgelöst so manchen Cognac kippte. (Der sich garantiert als Tee erwiesen hätte.) Bei der Lösung des Falls gab es natürlich einige Verblüffung. Nur so viel sei verraten: Es war nicht der Gärtner und auch Koch Anatol ist unschuldig, selbst wenn sich so mancher nicht als der erwies, der er anfangs zu sein schien. Eine Panettone mit Vanilleeis rundete den aufregenden Abend ab und wenn die Verzahnung von Essen und Auftritten auch manchmal etwas hakte, wurde der Gaumen der Tafelnden doch reichlich verwöhnt durch ein leichtes, der vorgerückten Stunde entsprechendes Essen und entließ sie sehr fröhlich gestimmt trotz des unerwarteten Dahinscheidens der Pelati. An den folgenden Abenden wird es ein auf den Frühling eingestimmtes Menü geben, das am Donnerstag bezeichnete die Küche als „winterlich“.
Solche mörderischen Essen haben in Hotels und Restaurants inzwischen Konjunktur und bieten dem Gourmet und Krimifreund Genuss, Spaß und Abwechslung zugleich. „Die Auftakter“ haben jedenfalls gut zu tun, dürfen am Menü auch selbst mitnaschen und werden in der Villa Kellermann mit ihrer Opera Mortale noch zweimal auftreten: am 26. Januar 2006 und am 23. Februar. Der Saal des nur noch ein knappes Jahr als Restaurant geöffneten Hauses wird für die Gäste dann um 19.30 Uhr geöffnet.
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