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Landeshauptstadt: Eine Oase in Potsdam

Kinder und Jugendliche gewinnen im Jugendhaus die Lust am Lernen zurück

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Kinder und Jugendliche gewinnen im Jugendhaus die Lust am Lernen zurück Von Juliane Schoenherr Jonas strahlt – endlich ist die Englisch-Nachhilfestunde beendet. „Ich verstehe, dass der Unterricht wichtig ist, aber ich wüsste Besseres mit dem Nachmittag anzufangen“, sagt der 14-Jährige, der mit seinem kurzen, braunen Strubbelhaar und der Brille ein wenig an „Harry Potter“ erinnert. Jonas wohnt seit dreieinhalb Jahren im Potsdamer Jugendhaus Oase, einer Einrichtung, in der sich Pädagogen um Kinder und Jugendliche kümmern, die nicht in die Schule gehen wollten. „Früher war ich fast nie in der Schule, weil ich andere Sorgen hatte“, erzählt Jonas. Sein Vater ist Alkoholiker und konnte Jonas lange Zeit kein Umfeld ermöglichen, in dem er in Ruhe hätte Hausaufgaben machen können. Die Lehrer hätten ihn damals ziemlich schnell aufgegeben, berichtet Jonas. Der Leiter des Jugendhauses Johannes Egger sieht vielfältige Ursachen fürs Schule schwänzen: „Einige Kinder fühlen sich unter- oder überfordert, oft auch einfach unverstanden“, erklärt er. Sehr oft hätten sie den Kopf voller familiärer Sorgen. „Wenn ein Kind sich den Kopf darüber zerbricht, warum der Vater wieder einmal ausgerastet ist, hat es einfach den Kopf nicht frei, um sich mathematische Formeln zu merken.“ Der 38-jährige Sozialpädagoge erklärt das Konzept des Jugendhauses: „Mit Einverständnis der Eltern bleiben die Kinder in der Regel zwei Jahre bei uns. In dieser Zeit versuchen wir, ihnen ein geordnetes und behütetes Umfeld zu schaffen und sie emotional so zu stabilisieren, dass sie danach in ihre Familien zurückkehren können.“ Zur Zeit wohnen fünf Kinder im Alter von neun bis 14 Jahren im Jugendhaus, davon vier Jungs. Platz wäre für neun Kinder, die sich meist ein Doppelzimmer mit Trennwand teilen, so dass jeder sein eigenes kleines Reich hat. Der Tagesablauf ist fest geregelt, um 6.30 Uhr werden die Kinder geweckt und spätestens um 21 Uhr ist Bettruhe angesagt. „Zwei Mal am Tag gibt es so genannte Zimmerzeiten, in denen sich die Kinder jeweils eine Stunde mit sich selbst beschäftigen sollen. Und wir legen großen Wert darauf, dass alle gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen und dabei miteinander ins Gespräch kommen“, berichtet Egger, der selbst Vater eines 10-jährigen Sohnes ist. Das Jugendhaus liegt idyllisch im Grünen. Die Räumlichkeiten sind in hellen, warmen Farben und mit viel Holz gestaltet. Es gibt eine Holzwerkstatt, einen Sportraum, einen Aufenthaltsraum mit Tischfußball und im Garten einen echten Holzbackofen, in dem die Kinder Brot und zur Weihnachtszeit Stollen backen können. Die Atmosphäre ist unbekümmert und friedlich. „Eine Oase ist ein Ort in der Wüste, an dem man Kraft tankt. Danach rafft man sich aber auf und zieht weiter. So ist es auch bei uns“, erläutert Egger den Namen des Projektes. An diesem Nachmittag schauen sich die Kinder gerade den Film „Shrek“ an. Fernsehen dürfen sie normalerweise nicht, aber einmal wöchentlich findet ein Videonachmittag statt. Bei ihnen sitzt Familientherapeutin Christine Lohn. Sie betreut die Kinder und immer öfter auch deren Eltern psychologisch. Vielleicht war sie es auch, die mit ihrer Arbeit Jonas Berufswunsch geweckt hat, denn er möchte später selbst mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten.

Juliane Schoenherr

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