Landeshauptstadt: Eine Sache des Vertrauens
Warum haben der Vorstand des Waschhaus e.V., die Stadt und das Land so lange nichts gewusst?
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Katja Dietrich-Kröck hat ein Bild gefunden, mit dem sie die Situation des Waschhauses verständlich machen will. Ein Bild, das nicht entschuldigen, sondern erklären soll. „Wenn ich zu jemandem in das Auto steige, den ich lange kenne, frage ich nicht danach, ob er noch seine Fahrerlaubnis besitzt“, sagt Katja Dietrich-Kröck. Nach Sachverhalten, die ganz selbstverständlich sind, fragt niemand.
Als Ende Juli Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Förderstopp für den Waschhaus e.V., einem der ältesten und größten soziokulturellen Zentren der Stadt, erklärten, war das ein Schock. Begründet wurde der Förderstopp mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit, über die der Verein, obwohl dazu verpflichtet, die Fördergeber nicht informiert hatte. Schon 2004 hatte das Finanzamt dem Verein mitgeteilt, dass das Privileg der Gemeinnützigkeit aberkannt werde. Von Enttäuschung und Vertrauensmissbrauch sprachen Wanka und Jakobs. Und dass sie keine andere Wahl hätten, denn eine Förderung sei an die Gemeinnützigkeit gebunden. Eine Frage, die seitdem immer wieder mit Nachdruck und Unglauben gestellt wird, lautet: Wie kann es sein, dass fast vier Jahre weder der Vorstand im Verein, noch die Stadt und das Land vom Verlust der Gemeinnützigkeit erfahren haben?
Katja Dietrich-Kröck, Vorstandsmitglied im Waschhaus e.V., hat sich diese Frage in den vergangenen Woche oft genug gestellt. Sie weiß, dass es vielen unglaubwürdig erscheint, dass ausgerechnet der Vorstand von der Aberkennung der Gemeinnützigkeit nichts gewusst haben soll. Wann immer ihr diese Frage gestellt wird, nimmt sie das Bild von der Fahrerlaubnis zur Hilfe. „Es war für uns im Vorstand selbstverständlich, dass wir als Verein diese Gemeinnützigkeit haben“, sagt Katja Dietrich-Kröck. Der damalige kaufmännische Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender, Michael Wegener, hatte als einziger gewusst, dass das Finanzamt diese Gemeinnützigkeit längst aberkannt hatte. Es mag danach klingen, dass hier nur ein Sündenbock gesucht wird. Doch Wegener hat gegenüber den PNN bestätigt, dass er diese Information für sich behalten habe. Trotzdem ist niemandem etwas aufgefallen?
Je mehr man sich mit dieser Frage auseinandersetzt, umso deutlich wird, dass wenn alles in Scherben liegt, das Ende und alle Fakten bekannt sind, es natürlich leicht ist, sich darüber zu wundern, dass scheinbar keiner etwas gewusst hat.
Ingo Decker, Pressesprecher im brandenburgischen Finanzministerium, dem das Finanzamt untersteht, verweist auf das Steuergeheimnis. „Wir informieren allein den Verein darüber, wenn er die Gemeinnützigkeit verloren hat“, so Decker. Es könne nicht die Aufgabe des Finanzamtes sein, auch noch den Fördergeber zu benachrichtigen. Das sei eine Angelegenheit zwischen Verein und Förderer und hier müsse ein entsprechendes Vertrauensverhältnis herrschen. „Es kann nicht sein, dass ein Geschäftsführer diese schwerwiegende Entscheidung einfach für sich behält“, sagt Decker.
Auch Holger Drews, Pressesprecher im Kulturministerium, spricht von Vertrauen, auf das das Land als Förderer zählen muss und auch weiterhin zählen will. „Wir fördern über 100 Einrichtungen im Land. Da braucht es eine Vertrauensbasis“, so Drews. Wer sich um Unterstützung bewirbt, müsse seine Satzung mit der Gemeinnützigkeit vorlegen und einen entsprechenden Antrag, wofür das Geld gebraucht werde. Das Ministerium überprüfe dann, ob das Geld auch dem Antrag entsprechend ausgegeben wurde. Dieses Prinzip werde man auch in Zukunft beibehalten, denn nur weil es im Fall Waschhaus schief gelaufen sei, werden nicht alle anderen Einrichtungen durch verschärfte Kontrollen einem Generalverdacht ausgesetzt, so Drews. Hinzu kommt, dass die Anträge beim Ministerium jährlich gestellt, eine Gemeinnützigkeit für bis zu fünf Jahren erteilt werden kann.
Diese unterschiedlichen Regularien sorgen bis heute für Verwirrungen und manche Fehleinschätzung. „Es ist falsch, wenn immer wieder behauptet wird, dass dem Verein schon 1999 die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde“, sagt Katja Dietrich-Kröck. Ende 2004 erreichte Geschäftsführer Wegener der Brief vom Finanzamt mit der Aberkennung. Erst 2001 hatte der Verein die Gemeinnützigkeit für fünf Jahre zuerkannt bekommen. Für die Jahre 1999 und 2000 fehlt sie. Grund waren die fehlenden Steuererklärungen, die vom Geschäftsführer Wegener nicht eingereicht wurden. „Wir haben in den Vorstandssitzungen immer wieder darauf gedrängt, dass diese Bescheide endlich abgegeben werden.“ Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Verein Gefahr laufe, die Gemeinnützigkeit zu verlieren. „Wir haben uns um etwas Sorgen gemacht, was schon gar nicht mehr existierte“, sagt Katja Dietrich-Kröck. Mittlerweile sind alle fehlenden Steuerbescheide eingereicht. „Es kann sein, dass uns nachträglich die Gemeinnützigkeit zuerkannt wird.“ Nur für die Jahre 1999 und 2000 wird dies nicht mehr möglich sein, dafür ist die Frist längst abgelaufen.
Im Rückblick zeigen sich für den Vorstand, das Land und die Stadt viele Möglichkeiten, wo man früher hätte eingreifen können. Im Rückblick ist jeder schlauer. Im Fall Waschhaus hat man auf Vertrauen gesetzt und Selbstverständliches als selbstverständlich genommen. Als Entschuldigung muss das niemand verstehen, denn zu entschuldigen gibt es daran nichts.
Dirk Becker
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