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EXKLUSIV: Eine Schatzkammer für Potsdam-Liebhaber

Ein für die PNN produzierter Film von Joachim Castan zeigt bislang unveröffentlichte Aufnahmen der unzerstörten Stadt

Von Peer Straube

Stand:

Das Berliner Tor. Die Einfahrt eines Zuges in den beschaulichen Potsdamer Bahnhof. Innenansichten der Garnisonkirche. Die unzerstörten Kolonnaden zwischen den Communs am Neuen Palais. Die Beerdigung der letzten Kaiserin. Ein Spaziergang im Babelsberger Park.

Für Liebhaber des alten Potsdam ist dieser Film ist eine Offenbarung und eine exklusive dazu. „Potsdam – eine Zeitreise durch unbekannte Filmschätze, Teil 1: 1921 bis 1945“ heißt der 45-minütige Streifen, den der Historiker und Filmemacher Joachim Castan für die PNN produziert hat und der nur im PNN- Shop erhältlich ist.

Die Idee dazu hatten Castan und der Verlag vor einem Jahr, nachdem ein ähnlicher Film über das historische Berlin sich bei Geschichtsinteressierten zum Renner entwickelt hat. Castan, der zuletzt einen viel beachteten Film über das historische Potsdamer Stadtschloss hergestellt hat, sammelt seit zehn Jahren historische Aufnahmen, die er zumeist aus privaten Nachlässen aufkauft. Inzwischen verfüge er über 3000 Filmrollen in verschiedenen Formaten – die meisten seien in Berlin gedreht worden, doch der zweitgrößte Posten sei Potsdam, sagt der Filmemacher. Viele der Aufnahmen stammen von amerikanischen oder englischen Touristen, die ein Scout im kalifornischen San Diego für Castan entdeckt hat. Daher sei es besonders schwierig, Filmmaterial über die historische Altstadt zu finden, denn – wie noch heute die meisten Reisenden – hätten auch die altvorderen Touristen die Kameras vor allem im Park Sanssouci surren lassen.

Doch auch die zehnminütige Sanssouci-Sequenz bietet Spektakuläres – so sind die verschiedenen Bepflanzungen des Weinbergs zu sehen, Soldaten in Wehrmachtsuniform und die bislang einzige bekannte Aufnahme der Kolonnaden in ihrer unzerstörten Form vor dem Zweiten Weltkrieg. Überhaupt würden 95 Prozent der Bilder im Film zum ersten Mal veröffentlicht, erzählt der Historiker. Als besonders spannend empfindet Castan das Material über den „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933, dessen Quelle sich nicht mehr feststellen lässt. Ein Amateur hat die Aufnahmen gedreht und für Castan beweisen sie, dass das historische Bild vom feierlichen Schulterschluss zwischen dem Naziregime und Deutschlands Konservativen geradegerückt werden müsse. „Hitler ist an diesem Tag nur eine Randfigur gewesen“, sagt Castan. Nach dem Händedruck mit Reichspräsident Hindenburg habe es der Diktator eilig gehabt, nach Berlin zurückzukehren. Erst nachträglich habe die Nazi-Propaganda das Ereignis bedeutungsschwanger hochstilisiert.

Auch private Aufnahmen aus dem Alltag der Potsdamer Arbeiter werden gezeigt, etwa eine Frau bei der Küchenarbeit. Einen „Glücksfall“ nennt Castan diese Quelle. Denn Filmen sei etwas für Reiche gewesen. Zehn Minuten 16-Millimeter-Film hätten in den 30er Jahren 75 Reichsmark gekostet – ein Arbeiter habe durchschnittlich im Monat aber nur 120 Reichsmark verdient.

Da das Interesse an dem historischen Potsdam-Film des Filmmuseums vor einigen Jahren außerordentlich groß war, will Castan auch den neuen Film öffentlich aufführen. Ort und Zeitpunkt seien noch offen, so der Historiker.

Parallel arbeitet Castan bereits an einem zweiten Teil, der ebenfalls exklusiv für die PNN produziert wird und rechtzeitig zu Weihnachten erhältlich sein soll. Dieser Film soll das Potsdam der Nachkriegs- bis Wendezeit zum Inhalt haben. Noch fehlt allerdings Material. Der Filmemacher appelliert daher an alle Potsdamer, die möglicherweise über entsprechendes Amateurfilmmaterial verfügen, ihm die Filme leihweise zu überlassen. Sie würden gut behandelt und lediglich kopiert, versichert Castan. Wer solche Filme hat, etwa über den sozialistischen Aufbau der Stadt oder auch Filme über die Arbeit in Potsdamer Betrieben, kann sie bei der PNN-Redaktion in der Wilhelm-Galerie abgeben.

Das Interesse des Osnabrückers Castan an Potsdam kommt nicht von ungefähr. Sein Vorfahr, der Nagelschmied Leopold Wilhelm Castan, kam 1788 aus Dessau nach Potsdam, bis 1934 lebte die Familie hier. Ihr gehörten sogar zwei Häuser – sie standen an jenem Ort, an dem sich heute die Wilhelm-Galerie befindet.

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