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Auf Distanz. Die Grenzen sind offen, doch die Länder sind sich noch fern.

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Homepage: Eine schwierige Grenze Deutsch-polnische Grenzregion untersucht

„Alles ist letztlich harmloser als erwartet“, kommentierte die Wirtschaftshistorikerin Dagmara Jajesniak-Quast das Zusammenwachsen von Polen und Deutschland in der Grenzregion nahe der Oder. Einen intellektuellen Aderlass befürchtete man auf polnischer Seite, als 2011 Arbeitnehmer die Möglichkeit erhielten, sich innerhalb der EU frei zu bewerben.

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„Alles ist letztlich harmloser als erwartet“, kommentierte die Wirtschaftshistorikerin Dagmara Jajesniak-Quast das Zusammenwachsen von Polen und Deutschland in der Grenzregion nahe der Oder. Einen intellektuellen Aderlass befürchtete man auf polnischer Seite, als 2011 Arbeitnehmer die Möglichkeit erhielten, sich innerhalb der EU frei zu bewerben. Auf deutscher Seite befürchtete man eine Schwemme von Billiglöhnern aus Polen. Beides erwies sich als wenig zutreffend, wie Regionalforscher unlängst bei einem Symposium des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner (IRS) zur Entwicklung in der Grenzregion feststellten.

Dennoch: Polen und die EU fremdeln noch, nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet. Polen ist Mitglied der EU, hat aber den Euro noch nicht eingeführt. Nach dem deutschen Überfall im Zweiten Weltkrieg habe Polen wenig Zeit gehabt, sich auf seine eigene Geschichte zu besinnen, erklärt Hans-Joachim Bürkner vom IRS. Die vergangenen Jahrzehnte, in denen der Sozialismus seine Spuren in dem osteuropäischen Land hinterlassen habe, seien eine Bürde. „Eine ganze Generation hat mehrere Jahrzehnte aufgrund der fest verschlossenen Grenzen in einer Art Schockstarre verharrt. Das hinterlässt Traumata wie nach einem Krieg“, weiß Bürkner. Auch andere Teilnehmer bestätigen, dass die gewaltsam durchschnittenen Verbindungslinien zwischen Deutschland und Polen sich nicht so einfach wiederherstellen lassen.

„Eine Schulpartnerschaft mit Japan anzuleiern ist erheblich einfacher als eine mit Polen“, bemerkt der Gymnasiallehrer Rüdiger Konertz. Jedoch können sich aus der noch immer unüberbrückten Distanz auch Vorteile für beide Seiten ergeben. Hilfreich sei es, den fremden Sprachraum schon in der Kita kennenzulernen, stellte Dagmara Jajesniak-Quast fest. Denn im Kita-Alter bilde sich das Sprachverständnis und die Fähigkeit fremde Sprachen zu erlernen heraus. „Die Kinder sprechen, wenn sie eingeschult werden zwar nicht unbedingt Polnisch, lernen aber viel leichter Englisch, Spanisch und andere Sprachen“, hat die Wissenschaftlerin Heidi Fichter-Wolf mit einer entsprechenden Untersuchung herausgefunden. Der Sprache komme eine Schlüsselfunktion bei der Annäherung der beiden Staaten und der unterschiedlichen Kulturen zu. „Bei der Kommunalverwaltung, bei der Förderung von Sport und Vereinen, in den Handelskammern, überall wo gemeinsame Interessen verfolgt werden, ist Zweisprachigkeit gefragt“, konstatierte der Politikwissenschaftler Mikolaj Masluk-Meller. Dass die Infrastrukturen der beiden Staaten noch weitgehend getrennt sind, sei nachteilig für beide Seiten. Gemeinsame Abwasser- und Verkehrssysteme, Wärmeaustausch und andere Infrastrukturmaßnahmen hält Masluk für ratsam. In den vergangen Jahren hat er genau in diesem Bereich als PR-Berater gearbeitet.

Dennoch gibt es noch viele Bereiche, in denen Probleme erst einmal richtig erkannt werden müssen, bevor sie gelöst werden können. Bürkner berichtet davon, dass ein reger Hausbau von deutschen Gemeinden initiiert worden sei. Polnische Arbeiter und Baufirmen hätten ihn auf deutscher Seite realisiert. Das bringe dann gelegentlich erhebliche baurechtliche Schwierigkeiten mit sich, wenn eine polnische Firma in Regress genommen werden soll. Deutsche Wohnungsbauunternehmen, die in Polen um Mieter geworben hätten, würden die jetzige Vollbelegung ihrer Immobilien als Erfolg betrachten. Auch die deutschen Nachbarn können sich in der Regel damit gut anfreunden.

Die Teilnehmer des Symposiums waren sich weitgehend einig, dass die denkbaren Potenziale des immer noch sehr strukturschwachen Grenzraumes entwickelt werden müssen. Es hätte allerdings schon Fortschritte gegeben. „Die organisierte Kriminalität im Grenzraum ist in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen“, so Fichter-Wolf. Was allerdings nicht für die Kleinkriminalität gelte. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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