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Landeshauptstadt: Eine Sekunde reicht

In den Bahnhofspassagen werden die besten Pressefotos der Welt gezeigt

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Eine Kollision zwischen Auto und Radfahrer, ein Mann, der auf die Straße uriniert, eine zusammengebrochene Seniorin – auch zufällige Schnappschüsse von Google Streetview, gesammelt von Michael Wolf, haben es diesmal in die Ausstellung der World Press Photos (WPP) für das Jahr 2010 geschafft, die am Dienstagabend feierlich eröffnet wurde. Knapp 200 der besten Pressefotos der Welt aus Bereichen wie Sport, Politik, Natur oder Gesellschaft können noch bis zum 22. Januar in den Potsdamer Bahnhofspassagen bewundert werden.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der auch Schirmherr der Ausstellung ist, enthüllte zur Eröffnung das Siegerfoto der WPP-Stiftung, die jährlich den wohl weltweit größten und renommiertesten Pressefoto-Wettbewerb ausrichtet: Es zeigt das ebenso erschütternde wie fesselnde Porträt der 18-jährigen Afghanin Bibi Aisha. Die junge Frau war vor ihrem Mann geflohen und kurz darauf von einem Taliban-Gericht zu einer grausamen Strafe verurteilt worden: Ihr eigener Ehemann schnitt ihr Ohren und Nase ab. Das Foto habe eine „Kombination aus Schrecken und Schönheit – ein Bild, dessen Stärke darin liegt, nicht nur die Würde des Motivs zu zeigen, sondern auch den fürsorglichen Umgang der Fotografin mit ihm“, heißt es in der Begründung der Jury für das Foto der Kanadierin Jodie Bieber. Einige der schockierendsten Fotografien werden in einem separaten Bereich für über 18-Jährige gezeigt.

Die Ausstellung hat aber auch beschauliche und schöne Seiten: Etwa die Bilderserie von Wolfram Hahn, einer von sechs deutschen Preisträgern, der Myspace-Benutzer zu Hause besucht hat und sie die Situation hat nachstellen lassen, in der sie damals ihr Porträt für ihre Webseite aufgenommen haben. Skurril bis schockierend sind die Porträts junger Mädchen, die Kenneth O’Halloran auf irischen Jahrmärkten fotografiert hat: Die Teenager sind dermaßen übertrieben und freizügig gekleidet, dass man sie glatt für Prostituierte halten könnte. Anrührend ist die Fotoserie des Chinesen Lu Guang, die einen fast völlig mit Öl bedeckten Feuerwehrmann zeigt, der Menschen aus einem Hafenbecken zu retten versuchte, in dem ein Öl-Tanker explodiert war. Den ersten Preis für Natur-Einzelfotos erhielt der Deutsche Thomas P. Peschack, der mit viel Glück und Geduld aus nächster Nähe einen landenden Tölpel-Vogel auf Malaga fotografierte.

Die Ausstellung ist die Auslese von insgesamt 108 059 Fotos, die von 5691 Fotografen aus 125 Ländern eingesandt wurden. Sie auszuwählen ist harte Arbeit, wie Volkmar Röhrig von der WPP-Stiftung verrät: „Die 13-köpfige Jury hat pro Foto maximal drei Sekunden Zeit, um sich zu entscheiden. Anfangs dachte ich: Das ist viel zu wenig Zeit, aber später erkannte ich, dass im Normalfall ein wirklich gutes Foto den Betrachter ohnehin sofort fesselt – eine Sekunde reicht aus.“

Die Schau wird bereits zum vierten Mal in Potsdam gezeigt, das wohl auch in Zukunft einer der wenigen ausgewählten Standorte der weltweit gastierenden Schau sein wird: „In Amsterdam (Sitz der WPP-Stiftung – Anm. d. Red.) ist man fasziniert von den Bahnhofspassagen“, sagte Röhrig, „bei keinem anderen deutschen Standort kommen so viele Jugendliche zur Ausstellung, die sonst nie den Weg in ein Museum finden würden.“ Es wird auch einen Publikumswettbewerb geben, bei dem Gäste begründen können, welches Foto sie am meisten beeindruckt hat und warum. Dem Sieger winkt eine Einladung zur Weltpremiere der WPP-Ausstellung für das Jahr 2011 in Amsterdam.

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