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Die Erfinder des Metal Kellers - Andreas Pietrucha, Gregor Neusser, Martin Klink und Silvio Hecklau (Foto oben). In den Nil-Klub holten sie schon Bands wie Sunna Sepdoom aus Potsdam (rechts) oder Sweet Sorrow, die extra aus Slowenien anreisten (links). Zu den Gästen im Metal Keller gehört stets Dirk Keil, der das Szeneheft Metal Guardian herausgibt (Mitte).

© M. Thomas/ D. Keil (2)/ Promo

Von Henri Kramer: Eine Tapetenrolle und viel Nackensport

Der „Metal Keller“ im Nil-Klub ist seit zwei Jahren der monatliche Treffpunkt für Potsdams lauteste Subkultur

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Der junge Mann wirft seinen Oberkörper vor und zurück, seinen Kopf schüttelt er dabei hin und her, seine langen Haare fliegen wild durch die Luft. Um ihn herum stehen noch andere Jungs und ein paar junge Frauen, die „headbangen“ – jene bei Heavy Metal-Fans beliebte Freizeitsportart für den Nacken. Krachende Rock-Musik muss dazu laufen, laut gespielt. Und laut ist es. Am DJ-Pult stehen Gregor Neusser, Martin Klink und Silvio Hecklau, sie grinsen, halbvolle Flaschen Bier neben sich. Hinter der Bar nebenan steht Andreas Pietrucha und schenkt aus.

Das ist die typische Szenerie während einer „Metal Keller“-Party, die einmal im Monat im „Nil“-Studentenklub am Neuen Palais gefeiert wird. Dann können Gregor, Martin, Silvio und Andreas eine Nacht lang Studium und Arbeit ausblenden. „Einfach Metal-Fan sein“, sagt Silvio. Und das wichtigste an so einem Abend ist, neben Bier und unzähligen Songs aus der privaten CD-Sammlung des Quartetts – eine Tapetenrolle.

Auch am Freitag wird die Rolle gebraucht: Auf sie kritzeln die Besucher, die ihr eigenes Wort im Metal-Sound nicht mehr verstehen, die Songs, die sie hören wollen. Das ist jedes Mal so. Und doch ist dieser Freitag ein besonderer Termin, der Geburtstag der Partyreihe, die seit 2007 existiert. „Damals gab es in Potsdam noch keine Metal-Disse, wir mussten immer nach Berlin fahren“, sagt Andreas. Das sollte sich ändern, beschlossen die jungen Männer, damals zwischen 25 und 29 Jahre alt. Da sich Andreas im „Nil“-Betreiberverein engagiert, waren Räume für die kostenlose Party kein Problem. „In Diskos läuft unsere Musik nicht – aber hier können wir möglichst alle Songs spielen, die sich die Leute wünschen“, erklärt Gregor das einfache Konzept. Bis zu 200 Gäste kommen an guten Abenden, der Schnitt liegt bei 80. Inzwischen lassen sich all jene regelmäßig sehen, die Potsdams Metal-Szene prägen.

Ein Magazin

Dirk Keil zum Beispiel, häufig anzutreffen beim Fotografieren, wenn beim „Metal Keller“ Bands aus der Region spielen. Der 29-Jährige braucht die Aufnahmen für sein Heft: Er ist der Herausgeber des „Metal Guardian“-Magazins, dass seit Ende 2007 von Potsdam aus in unregelmäßigen Abständen produziert wird. Die aktuellste Ausgabe stammt von Ende Oktober, sie bietet kostenlos Live-Berichte und Interviews mit Bands aus Potsdam und Umgebung. „Diese Szene spielt in anderen Medien keine Rolle“, erklärt der 29-Jährige, warum er sich für das Fanzine engagiert. Denn „richtig Metal“, so sagen es Fans, ist es, sich für seine Musik auch Zeit zu nehmen, nicht bloß zu konsumieren. „Natürlich wirst du damit nicht reich und berühmt“, sagt Keller-DJ Martin Klink über sein Hobby, bei dem er nach jeder langen Nacht im „Nil“ aufräumen und wischen muss.

Eine Band

Der Wunsch nach Ruhm ist wohl auch bei Sunna Sepdoom nicht Sinn und Zweck. Die Potsdamer Metal-Band hat bereits einmal im „Nil“ gespielt. Ihr Stil: Treibender Death-Metal mit tief gestimmten Gitarren, groovenden Bassläufen und wütendem Brüllgesang von Sänger Hendrik Suhl. Der 31-Jährige ist regelmäßiger Gast im „Nil“ und bei Potsdams Rock-Musikern bekannt, er war zuvor lange bei den Thrash-Metallern von Loco aktiv. „Im Mittelpunkt steht bei uns der Spaß und das Miteinander“, sagt Hendrik.

Solche Sätze sagen viele Metal-Fans. Auch DJ-Silvio findet es „cool“, dass sich Metal-Fans auch einmal selbst karikieren können und „einfach anders sind“ und „nicht so gekünstelt“ wie der normale Diskogänger. Als Beispiel nennt er seine Jeans-Weste, voller Stoffaufnäher mit martialischen Motiven, Totenköpfen und Dämonenfratzen. „Wer damit zum Beispiel ins Kaufland geht, nimmt in Kauf, dass das nicht jedem gefällt.“

Der träge Rest

Wie viele es gibt, die so in Potsdam denken, ist unklar. „Die Szene ist atomisiert und verläuft sich“, sagt Andreas vom Metal Keller und meint damit Berlin, wo täglich Metalkonzerte auch Potsdamer anlocken. Ähnlich denkt Dirk Keil: „Durch die Nähe zu Berlin herrscht eine Trägheit, der sich noch zu wenige entgegenstellen.“ Erst jüngst musste sich die zweite Metal-Party in der Stadt reduzieren: Die „Back in Black“-Reihe im Club Charlotte in der Charlottenstraße findet nur noch alle zwei Monate statt. Ermüdungserscheinungen, die das Metal-Keller-Quartett vermeiden will. Auf ihrer Tapetenrolle ist noch Platz für Wünsche.

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