PYAnissimo: Eine Tüte für die Königin

Ein Wochenende lang war ich nicht in Potsdam. Dann steige ich Montag früh aus der Tram, nehme einen Atemzug und stelle fest: Die Linden blühen. Es ist dieser süffige Duftmix, regennasser Asphalt und ein aus dem Bäumen triefendes Blütenaroma, das die Luft sommerschwer macht und alles lähmt. Schön betäubt. Poststreik, Stau, Zeppelinstraße, alles egal, ersäuft im süßen Lindenduft.

In der Tram hatten ein paar Knirpse in Warnwesten gesessen und sich Rechenaufgaben gestellt: Drei minus Fünf? Ratlos. Null plus Null? Eins, sagte jemand, sehr überzeugend. Ich musste lachen. Ja, warum eigentlich nicht? Warum nicht mal auf einer Luftgitarre spielen, Luftschlösser bauen, Fünfe grade sein lassen, und Null plus Null ist eins.

Immerhin heißt Potsdams Motto Sanssouci, heute würde man sagen „allet schick“, und das ist es doch. Warum müssen wir immer so kleinlich sein und uns aufregen, wenn mal irgendetwas nicht klappt, sich jemand im Bauamt verrechnet oder die Queen es nicht aus Berlin raus nach Potsdam und ins schöne Brandenburg schafft. Pech gehabt. Sie ahnt ja nicht, was sie hier verpasst! Den Beelitzer Spargelsommer und Spreewälder Gurkensommer. Den Potsdamer Orgelsommer, den Theatersommer und das Sommertheater. Den Literatursommer, den Brandenburger Dorfkirchensommer und Open-Air-Kinosommer.

Die Queen, sie verpasst die reizende Schlössernacht, zu der wir ihr gerne einen roten Teppich ausgerollt hätten, auch wenn sie kein Sparkassenkonto hat. Ach, und das Stadtwerkefest mit Wiener Walzer und dem Schmuserocker der Herzen! Lionel Richie – Three Times a Lady – das hätte sie ganz sicherlich erfreut. Wir hätten sie zusammen mit weiteren gekrönten Häuptern, Blüten-, Kirschen und Spargelköniginnen, unter Geleit der Langen Kerls aus einem Vip-Shuttle in eine Vip-Loge (endlich passt das Wort mal!) verfrachtet. Als Zugabe gäbe es ein Ticket zur Potsdamer Fashion Week. Die Queen, sie hätte mit ihrem eisernen Modechick den Hungerhaken mit backstage eilends angetackerten Fummeln und Fetzen was gehustet, das Protokoll mal schnell gerade gerückt.

Aber das wird nun nichts mehr. Weg ist sie, die Königin. Potsdam hat sie diesmal not amused. Nicht einmal einen royalen Winkehauch hat sie über den Bestimmungsort ihres Garnisonkirchenziegels (Was hat der eigentlich gekostet?) wehen lassen. Nein, sie bevorzugt heute einen Ausflug nach Hessen. Was hat Frankfurt, was hat Berlin, das Potsdam nicht hat? Die Linden können es nicht sein. Vielleicht hat die Queen, die nie ohne eigenen Wasservorrat aus einer reinen britannischen Quelle reist, als Ergänzung dazu wenigstens eine Tüte Potsdamer Lindenduft mitgenommen. Zum Schnüffeln in der trockenen Luft im Flieger. Uns bleibt der Kondensstreifen...

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg