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Europas erste Kinderfilm-Universität eröffnet Ende Oktober im Thalia-Kino. Ein Projekt der HFF
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Jungen und Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren sitzen gespannt in den roten Sesseln des Thalia-Kinos in Babelsberg. Doch was sie erwartet, ist nicht einfach nur ein neuer Streifen aus den Studios dieser Welt. Die beiden Mädchen Luise und Lotte, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, flimmern gleich in mehreren Variationen über die Kino-Leinwand – erst in Schwarzweiß, dann in Farbe und schließlich als animierte Zeichentrickfiguren. Erich Kästners „Doppelte Lottchen“ bieten sich in der Vision einer Kinderfilmuniversität von Dieter Wiedemann, Präsident der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF), hervorragend an, um den Kindern zu zeigen, wie die selbe Geschichte in unterschiedlichen Zeiten verfilmt wurde.
Sie sollen schon im jungen Alter sensibilisiert werden für Filmsprache, Filmästhetik und einen souveränen Umgang mit Medien lernen. „Gleichzeitig geht es uns darum, Kreative frühzeitig zu erkennen und zu fördern“, sagt Wiedemann. Zwar habe die HFF mehr als genug Bewerber, aber nur wenige junge Talente kommen aus der Region. Deshalb ist neben der Stärkung der Medienkompetenz von Kindern ein weiteres Ziel, den Medienstandort Potsdam insbesondere unter den Einheimischen bekannter zu machen.
Starttermin für das europaweit bisher einzigartige Projekt ist der 28. Oktober. Jeden vierten Sonntag im Monat soll das Thalia dann seine Pforten für eine dreistündige Veranstaltung öffnen, in der die kleinen Gäste hinter die schillernden Kulissen der Filmwelt schauen können. Die Kleinen können dann nicht nur einen Blick in die Vorführräume werfen und einen Digitalprojektor bestaunen, sondern auch mal eine richtige Filmrolle in die Hand nehmen und sich einzelne Bilder anschauen. Mitinitiator und Geschäftsführer des Kinos, Thomas Bastian, hat zudem die Aufgabe übernommen, die Potsdamer Schulen für das Projekt zu begeistern und bereits erste Kontakte geknüpft. „Ich finde es toll, wenn Menschen im Kino sitzen, die auch etwas wissen wollen, die sich fragen: Was hat sich der Regisseur eigentlich dabei gedacht?“, beschreibt Bastian seine Motivation. Gespannt ist er außerdem auf die Reaktion der Kinder, wenn sie zum ersten Mal einen Schwarzweiß-Film sehen: „Das wird für die bestimmt ein richtiger Kulturschock.“
Insbesondere die HFF-Studenten des Masterstudiengangs Medienwissenschaften, der einen Schwerpunkt auf „Kinder, Jugend und Medien“ legt, sollen in das Projekt eingebunden werden. „Damit wollen wir Ausbildung und Forschungspraxis miteinander verbinden“, erklärt Wiedemann. Mit einem speziellen Forschungsprojekt soll die Kinder-Universität begleitet und ihr Erfolg untersucht werden. In diesem Jahr soll es erst einmal mit Animations- und Kinderfilmen losgehen, im nächsten könnten dann auch andere Genres wie Abenteuerfilme oder Dokumentationen folgen. Wiedemann hofft, mittelfristig alle Studienbereiche für das Projekt gewinnen zu können.
Den Kindern könnten unterschiedliche Montagetechniken näher gebracht werden. Was passiert zum Beispiel, wenn die Geschichte von hinten nach vorn erzählt wird oder die Erzählperspektive wechselt? Wie kann Filmmusik am effektvollsten eingesetzt werden? Wiedemann überlegt: „Wir könnten auch Kameras und Tonaufzeichnungsgeräte mitnehmen, damit sie selbst Erfahrungen mit der Technik sammeln können.“ Auch ein kleines Drehbuch mit Interessierten zu schreiben oder selbst einen Film zu drehen, hält er für möglich. Am Ende könnte vielleicht sogar eine DVD als Unterrichtsmaterial produziert werden. Aber Wiedemann betont: „Das sind alles noch Zukunftsvisionen.“
Benjamin Kleemann
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