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Landeshauptstadt: Eine Violine muss sein

40 Bewerbungen und keine Zusage, da schrieb sein Vater an das Kulturministerium und Bernhard Wölz konnte Geigenbauer werden

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Bernhard Wölz holt tief Luft. „Ich strebe an, im Jahr eine Violine zu bauen“, sagt er und sorgt für ein wenig Verwirrung. Nur eine Geige im Jahr? Andere Kollegen bauen zwischen sechs und sieben Instrumente? „Wenn ich es schaffe“, sagt er. Das muss er nun doch genauer erklären. Doch gerade jetzt kommt Bernhard Wölz nicht dazu. Sein Telefon klingelt. Er entschuldigt sich und es bleibt Zeit, sich genauer in seiner Werkstatt umzuschauen.

In einem Altbau in der Jägerallee, mit hohen Zimmern und Stuck an der Decke, hat Bernhard Wölz in einem großen Raum seine Werkstatt eingerichtet. Der Arbeitstisch steht am Fenster, Schraubzwingen hängen an der Wand, in einem hohen Regal stehen Ordner, daneben kleinere Maschinen und Werkzeuge. Ansonsten dominiert den Raum ein überschaubares Chaos von Instrumenten und den dazugehörigen Koffern. Bernhard Wölz hat das Telefonat beendet und setzt sich an seinen Arbeitstisch. Er fragt, ob es störend für das Gespräch sei, wenn er dabei die Reparatur an einer Geige beendet. Natürlich nicht. Schließlich ist man hierher gekommen, um ihm auch ein wenig bei der Arbeit zuschauen zu können.

Fast zur selben Zeit hat Bernhard Wölz mit dem Babelsberger Geigenbauer Markus Opitz in Markneukirchen gelernt. Er begann seine Lehre 1975, Opitz drei Jahre später. Während Markus Opitz, als Sohn eines Pfarrers, in der DDR sowieso nur mit Schwierigkeiten und zahlreichen Eingaben zu einer Lehrstelle als Streichinstrumentenbauer kam, verlief der Weg bei Bernhard Wölz auch nicht reibungslos.

In Kleinmachnow aufgewachsen, erhielt er im Alter von sechs Jahren seinen ersten Geigenunterricht. „Damals wurde der Grundstein gelegt“, sagt Wölz. Er durchlief die normale Musikschulenausbildung und machte nach elf Jahren den Oberstufenabschluss, der nötig war, um sich an einer Musikhochschule für ein Musikstudium zu bewerben. „Der Anspruch war da, ein guter Musiker zu werden“, sagt Wölz. Er hatte schon immer viel geübt, mit der entsprechenden Disziplin und Leidenschaft. Doch der Gedanke, während eines Studiums jeden Tag stundenlang zu üben, behagte ihm nicht.

Bernhard Wölz ist ein stiller Mann mit bedächtigen Bewegung und aufmerksamen Blick. Er lässt sich Zeit mit den Antworten, überlegt in Ruhe. Und so wird es wohl auch damals gewesen sein, als von ihm eine Entscheidung über seine Zukunft zu treffen war. Er wird lange überlegt und abgewogen haben, bevor er sich gegen ein Musikstudium entschied. Glücklich kann er mit dieser Entscheidung nicht wirklich gewesen sein. Seine Eltern spürten das und hatten eine Idee. Warum sollte ihr Sohn nicht sein musikalisches Talent mit seinem Interesse für das Handwerkliche verbinden? Sein Vater schrieb insgesamt 40 Bewerbungen, ohne Erfolg. Dann schrieb er an das Ministerium für Kultur, schickte Kopien der 40 Bewerbungen mit und fragte, was er denn noch tun könne, wo er doch erfahren hatte, dass Instrumentenbauer gesucht werden. Dieses Mal hatte er Erfolg.

Der Musik ist Bernhard Wölz neben dem Instrumentenbau verbunden geblieben. Er spielt Violine im Sinfonieorchester Schöneberg, ein Laienorchester auf hohem Niveau, das zweimal im Jahr in der Berliner Philharmonie auftritt. „Das sind wirklich sehr schöne Momente.“ Und bei der Sinfonietta Potsdam, dem Orchester der Universität, spielt er auch.

Dann klingelt wieder das Telefon und der Geigenbauer entschuldigt sich. Insgesamt muss er viermal während des Besuchs seiner Werkstatt ans Telefon. Und als beim Abschied Bernhard Wölz die Tür öffnet, kommt die nächste Kundin schon die Treppe herauf. Es wirkt fast wie ein Deja-vu, denn auf dem Weg die Treppe hinauf zum Besuch seiner Werkstatt, stand Wölz in der Wohnungstür und verabschiedete gerade eine Kundin. „Das ist nicht immer so“, sagt er. Aber es ist einer der Gründe, warum er kaum dazu kommt, selbst Geigen zu bauen.

Bernhard Wölz, der 1982 den Meister machte und im Januar 1985 seine Werkstatt in Potsdam eröffnete, hat sich auf die Reparatur und den Verleih von Geigen und Violoncelli spezialisiert. Daneben verkauft und handelt er auch mit Instrumenten und den dazugehörigen Bögen. „Derzeit habe ich etwa 60 Instrumente im Verleih“, sagt Bernhard Wölz. Die Nachfrage ist groß und für viele, die mit dem Instrument beginnen, ist der Verleih eine günstige Alternative zum Neukauf eines teuren Instruments. Hinzu kommt, dass es gerade für Kinder und Jugendliche Geigen unterschiedlicher Größe gibt. „Es können sich nicht alle leisten, jedes Mal ein neues Instrument zu kaufen.“ Wer sich für ein Instrument interessiert, der ruft bei ihm an und macht einen Termin. Beratung und das Instrument anpassen, gehören für Bernhard Wölz einfach dazu.

Verleih und Reparaturen nehmen ihn sehr in Anspruch. „Über Arbeitsmangel musste ich mich noch nie beklagen“, sagt er. Dadurch habe er so etwas wie ein sicheres Einkommen. Was bei einer Familie mit zwei Söhnen ein nicht zu unterschätzendes Argument ist. Aber eine Violine im Jahr zu bauen, ist sein Ziel. Im ersten Moment klingt es so, als müsste sich Bernhard Wölz einmal im Jahr diesen Luxus gönnen. Doch ein Blick in sein Gesicht zeigt, dass es kein Luxus ist, sondern sein persönlicher Anspruch.

Dirk Becker

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