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Stadt für eine Nacht: Eine Welt auf Zeit

Zum vierten Mal wurde die Potsdamer Schiffbauergasse in die „Stadt für eine Nacht“ verwandelt. Tausende Besucher kamen und ließen sich auf diese wundersame Welt auf Zeit ein.

Stand:

Nie aufhörendes Gewimmel zieht sich durch die engen Gassen. Ein stetiger Strom von Menschen bewegt sich in einem Rhythmus voran, gemeinsam ergeben sie eine Melodie. Deren Klänge und Farben verschmelzen zu einer Stadt, die niemals ruht. Zum vierten Mal verwandelte sich der Kulturstandort Schiffbauergasse am Wochenende für 24 Stunden in eine „Stadt für eine Nacht“. In 36 Hütten, sogenannten Erlebnisräumen, konnten die Besucher forschen, erkunden, mitgestalten und facettenreich Kultur erleben. Mindestens ebenso viele Besucher wie im vergangenen Jahr seien in die Schiffbauergasse gekommen, schätzen die Veranstalter. Im ständigen Wandel begriffen ist die Potsdamer Stadtentwicklung in diesem Jahr das zentrale Thema der „Stadt für eine Nacht“ gewesen. Auf verschiedene Art und Weise trugen Künstler, Wissenschaftler, Kreative und Vereine ihren Teil dazu bei, gemeinsam mit den Potsdamer Bürgern Ideen für die Veränderungen ihrer Stadt zu entwickeln. Egal, auf welchem Weg man diese wundersame, kleine Welt auch betrat, genügend Zeit, mehr als zunächst nur einen staunenden Blick über die Ansammlung milchig-weißer Hütten schweifen zu lassen, blieb kaum. Das vielfältige Angebot zog die Besucher immer wieder zu den verschiedenen Veranstaltungsorten und machte es unmöglich, an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Auch hier kann deswegen nur ein kleiner Ausschnitt wiedergegeben werden .

Kampf auf der Tanzfläche

Saltos, Sprünge und einarmige Handstände, ausgeführt mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit. Nein, keine Akrobatik war der erste Höhepunkt an diesem Nachmittag, sondern bei der Performance der Tänzer des „The Oxy-Dance-Battle“ in der Waschhaus Arena ließen sie es sich nicht nehmen, all ihr Können auf der Tanzfläche zu zeigen. Artistische Sprünge trafen dabei zu Hip-Hop-Musik auf tänzerisches Können. Am Ende konnte sich Tänzer Ben durchsetzen, der vollkommen im Takt und den Rhythmus mit jeder Zelle verkörpernd die dreiköpfige Jury vor allem mit Vielfältigkeit und Witz überzeugte.

Stille Worte

Der Kontrast zu den basslastigen Hip-Hop-Beats hätte kaum größer sein können, als sich der Zuschauer, noch mit im Takt zuckenden Füßen, auf der Wiese zu einer Lesung an der Stillen Lesebühne nierderließ. Stille war das Motto, denn nur Zuhörer mit Kopfhörern konnten den Geschichten der Lesebühneautoren und Poetry Slammer lauschen. Ganz und gar geräuschlos war die „Stille Lesung“ trotzdem nicht. Die lautstarken Lacher der Zuhörer über Salzstangen als vegetarische Version des Mett-Igels oder das wackelnde Ikea-Kind Billy fügten der städtischen Klangfarbe einen weiteren Ton hinzu.

Ein-Mann-Orchester

Ein wenig Verwunderung konnte sich der Zuhörer bei dem ersten Auftritt von Konrad Küchenmeister auf der Bühne des Waschhaus-Saals nicht erwehren. Ein einzelner Mann auf der Bühne, dessen Musik klingt, als würde dort im Hintergrund ein ganzes Orchester lauern. Dank Loop-Maschine, die kurze aufgenommene Gesangs- oder Instrumentalsequenzen in einer endlosen Schleife hintereinander abspielt, gelang dem Musiker ein nahezu unglaublich erscheinendes Spektakel auf der Bühne. Die zahlreichen Zuhörer konnten direkt bei der Entstehung der sonnigen Sounds und elektronischen Klängen dabei sein und die Entstehung von Musik mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Zwischen Kolben und Zylinder

Zu einer vierminütigen Reise in das Innere eines Trabbis, von dem Schauspieler Christoph Buschfink fest behauptete, es sein ein Ferrari, lud das Mikrodrama „Komplettschden“. Im vollbesetzten Theater, dessen Zuschauerreihen aus drei Sitzen bestanden, entwickelte Buschfink mit viel Liebe zum Detail eine kleine Welt unter der Motorhaube, deren Bewohner ebenso grotesk wie niedlich waren. Ob eine französische Wahrsagerin im Kolben, eulenartige Tiere in der Batterie oder das kränkelnde, nackte Menschlein im Motorblock – alles hatte unglaublichen Unterhaltungswert.

Stille Disco

Für Unterhaltung bei Teilnehmern und Zuschauern sorgte auch die Silent Disco. Zu Musik, die nur über Kopfhörer zu hören war, tanzten Jung und Alt und verwandelten so die Wiese vor der Waschhaus Arena zu einer großen Tanzfläche. Zunächst noch zögerlich, doch bald völlig ungehemmt ließen sich die Tänzer vom Rhythmus der Musik mitreißen, vergaßen die Zuschauer um sich herum.

Die Wandelbarkeit der Stadt

Die temporäre Stadt selber konnte der Besucher kaum mit einem einzigen Gang durch die engen Gassen erkunden. An jeder Ecke schienen sowohl die Menschen als auch die Stadt in ständiger Bewegung zu sein. Die Entwicklung einer Stadt als zentrales Thema stand demnach nicht nur auf dem Papier, sondern floss auch direkt in die Arbeit in den verschiedenen Erlebnisräumen ein. Im Erlebnisraum „Pimp Up Your Potsdam“ konnten die Besucher eine dreiseitige Architekturcollage Potsdams mit Zeitungsausschnitten gestalten. Dass beispielsweise auf das schwarz-weiße Bild der Schwimmhalle am Brauhausberg der Schriftzug „Umbau statt Neubau“ geklebt wurde, dürfte wohl kein Zufall sein. Und Potsdam hat an diesem Wochenende gezeigt, wie Kunst und Kultur mit dem Leben in dieser Stadt zu einem wunderbaren Ganzen zusammenfließen können. Zu einer Melodie, die ebenso farben- und facettenreich ist wie die Stadt selbst.

Chantal Willers

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