Landeshauptstadt: Eine Zerreißprobe
Salon e.V. lud zur Diskussion über Alt und Neu – gestritten wurde über den Landtagsneubau
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Potsdam ist eine zerrissene Stadt. Zerrissen zwischen Ewiggestrigen, die am liebsten ihre DDR in die Zukunft transportieren wollen, zwischen einer „intellektuelle Clique um die Denkmalpfleger“, die aber von ganz unterschiedlichen Motivationen getrieben wird, zwischen den Neu-Potsdamern aus dem Westen und zuletzt auch noch der jungen Generation. Deshalb kracht es immer so sehr, wenn in Potsdam an wichtigen Orten gebaut werden soll – diese These stellte am Mittwochabend in der Villa Kellermann der Architekt und Stadterneuerer Cornelius van Geisten auf. Vor mehr als einhundert Zuhörern diskutierte der ehemalige Chef des Potsdamer Sanierungsträgers (1991-1997) auf Einladung der Kulturinitiative Salon e.V. mit Finanzminister Rainer Speer (SPD) und der Grünen-Stadtverordneten Saskia Hüneke.
„Wiederaufbau – oder Platz für Neues?“ war die Überschrift des Abends. Debattiert wurde diese Frage natürlich nur in Bezug auf den Landtagsneubau auf dem Alten Markt, und das so emotionsgeladen, wie es van Geisten anfangs prophezeit hatte. Für seine These bekam er von Minister Speer aber zunächst Unterstützung: Potsdam sei eine Kasernen- und Beamtenstadt gewesen, ihr fehlte ein „stolzes Bürgertum“, das wirke bis heute nach, sagte Speer. Und Van Geisten meinte, deshalb müssten bei wichtigen Bauvorhaben alle vier Potsdamer Bevölkerungsgruppen einbezogen werden – nur dann sei eine große Akzeptanz zu erreichen. Als Beispiel nannte er den Platz der Einheit: Die Puristen hätten ihr Andreaskreuz nach historischem Vorbild bekommen, allerdings so modern gestaltet, dass junge Leute die Grünflächen gern nutzten, und außerdem seien die Denkmäler auch aus der DDR-Zeit geschützt und erhalten worden.
Was aber bedeutet das für den Landtagsneubau? Folgt man van Geistens Argumentation, wäre die einzige in Potsdam tragfähige Lösung eine Mischung von Alt und Neu. Dafür sprach sich auch Saskia Hüneke aus. Sie zitierte einen Beschluss des Beirates Potsdamer Mitte, der bereits vor Jahren festgestellt habe, dass der Landtag die einzige Nutzung eines Neubaus auf dem Schlossareal sei, die auch Abweichungen vom Knobelsdorff-Original zuließe. Van Geisten nannte prominente Beispiele: Den Reichstag in Berlin mit seiner gläsernen Kuppel, den Louvre in Paris, die Pinakothek in München. Diese lebten vom Kontrast von Alt und Neu, „genau das hat dem Beirat Potsdamer Mitte vorgeschwebt“, fügte Hüneke hinzu.
Dies konnte eine Mehrheit unter den Zuhörern allerdings nicht überzeugen. Von einem Schloss, das „hinten aussieht wie ein C & A-Kaufhaus“, wurde gesprochen, und es wurde beklagt, dass nicht mehr als 85 Millionen Euro für den Bau ausgegeben werden, wenn dann doch das Schloss detailgetreu wiederaufgebaut werden könnte. Auch wurde befürchtet, das Konsortium, das vom Bauherren Land ausgewählt wird und einen Architekturentwurf vorlegt, könne allein daran interessiert sein, Rendite zu erwirtschaften und werde billig bauen. Zudem wurde Speer vorgeworfen, das Land sei längst vom Beschluss des Landesparlaments abgerückt, in den „Um- und Aufrissen des ehemaligen Stadtschlosses“ zu bauen: Schließlich sei in dem Beschlusstext auch von „Putz- und Fassadengliederung nach historischem Vorbild“ die Rede, die jetzt nicht festgeschrieben seien.
Dass es für diese Redebeiträge viel Beifall gab, brachte Minister Speer ein wenig in Aufregung. Bereits zuvor hatte er beklagt, dass die Gelassenheit, mit der in Potsdam einst über Historie und Moderne diskutiert wurde, verloren gegangen sei. Dabei nahm er auch Bezug auf die Äußerungen der Kabarettistin Barbara Kuster, die davon gesprochen hatte, Architekten, die am Alten Markt Beton klotzten, an „die kahlen Wände“ zu stellen und zu erschießen. Dies sei „nicht komisch“, so Speer. Er empfinde diese Zuspitzung als bedrohlich. Und er wehrte er sich auch gegen die Vorwürfe aus dem Publikum, er wolle einen modernen, möglichst günstigen Funktionalbau: „Bevor ich Politiker wurde, war ich Handwerker, ich habe Möbel restauriert – einen Bezug zur Schönheit muss man mir nicht absprechen wollen.“ Und im Übrigen habe er mit dem anderen Speer, Albert Speer, auf dessen Architektur auch Bezug genommen wurde, nichts zu tun – und werde sich nicht in diese Ecke stellen lassen.
Da war er ganz deutlich, der Krach, den Architekt van Geisten gemeint hatte. Ihm blieb nichts mehr als zu beschwichtigen. Die Diskussion, auch in dieser Länge, sei „eine Auszeichnung für die Stadt“. Aber er appellierte auch an die Potsdamer, die zerrissenen: „Haben Sie nicht so“ne Angst vor der Moderne!“
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