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Viele Erinnerungen. Die Museumsgründerinnen Anja Schulz (l.) und Barbara Dechant vom Berliner Buchstabenmuseum.

© Marcel Mettelsiefen/dpa

Landeshauptstadt: Einer dieser Glücksmomente – ein „HAUP“ gefunden

Das Berliner Buchstabenmuseum präsentiert Schriftzüge aus einer Zeit vor der Globalisierung

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Berlin - Eines Tages rief einer ihrer Freunde an und sagte, er habe ein „HAUP“ gefunden. „Das ist einer dieser Glücksmomente“, erzählt Barbara Dechant, eine der Gründerinnen des Berliner Buchstabenmuseums. Sie fuhr zu dem Lager am Wriezener Bahnhof, um den Fund zu prüfen. Tatsächlich: Es war der Anfang der Leuchtschrift, die einmal die Fassade des heutigen Berliner Ostbahnhofes zierte. Bei der Umbenennung wurden die ersten vier Buchstaben abgeschraubt und durch „OS“ ersetzt. „Wahrscheinlich eine Sparmaßnahme“, vermutet Barbara.

Wenn Barbara Dechant und Anja Schulze auf Buchstabensuche gehen, sammeln sie auch Stadtgeschichte. „Heute sehen alle Städte mit ihren Ladenketten ziemlich einheitlich aus“, sagt Dechant. Kaum ein Ladenbesitzer gebe noch hochwertige Schriftzüge in Auftrag. „Die Plexiglaskästen, auf die der Text einfach aufgeklebt ist, sind natürlich billiger in der Produktion – aber eben auch hässlicher.“ Die alten, handgefertigten Buchstaben zu bewahren, das hat sich die Grafikerin zur Aufgabe gemacht.

Die rund 400 Lettern, die im derzeitigen Schaudepot im Berlin-Carré am Alexanderplatz ausgestellt sind, stammen zum Großteil aus Geschäftsschließungen. Nimmt man die Rolltreppe in den ersten Stock, gelangt man zu dem ehemaligen Friseurladen, in dem man heute von einem übermannshohen HAUS begrüßt wird. Als die letzte Ebbinghaus-Filiale vor zwei Jahren den Räumungsverkauf einläutete, waren Dechant und Schulze auf den Namen des früheren Kaufhausimperiums aus – schließlich ist das auch ein Stück Stadtgeschichte.

Fürs Buchstabensammeln braucht man in erster Linie Hartnäckigkeit und Geduld. „Manchmal müssen wir über ein Jahr dranbleiben, bis wir ein neues Stück haben“, sagt Dechant. Finden die beiden Frauen eine typographisch interessante Leuchtreklame oder ein gelungenes Logo, müssen sie erst den Eigentümer identifizieren, mit dem sie die Schenkung vertraglich festhalten, um schließlich mit der Montagefirma zu verhandeln. Denn die Exponate müssen professionell demontiert und angeliefert werden: Ein einzelner Ebbinghaus-Buchstabe wiegt ungefähr 150 Kilo.

„Wir bekommen ständig Mails von Leuten, die irgendwo schöne Schriftzüge entdeckt haben“, erzählt Anja, die im Buchstabenmuseum für die Pressearbeit zuständig ist. Dass dieser Posten notwendig geworden ist, ist schon ein Zeichen für den Erfolg des Projektes.

„Eigentlich wollten wir gar nicht so schnell an die Öffentlichkeit gehen“, sagt Dechant. „Wir wurden einfach von der großen Resonanz überrannt.“ Also richteten sie regelmäßige Öffnungszeiten ein: Von Donnerstag bis Samstag hat das Depot zwischen 13.00 und 15.00 Uhr geöffnet. In diesen zwei Stunden schauen natürlich Designer und Typographen vorbei. „Aber die meisten Besucher sind Leute, die sich ganz einfach für die Stadt interessieren“, sagt Dechant. „Und Touristen, die wissen wollen, ob es Unterschiede gab zwischen Ost- und Westbuchstaben.“

Als ein Highlight der Sammlung zeigen Dechant und Schulze dann gern das einzige Exponat in Schreibschrift: „Schuhe“, steht da. Die weiße Farbe ist abgesprungen, am oberen Rand hat der Schriftzug eine bräunliche Verfärbung. „Wir wollen die Stücke in dem Zustand konservieren, in dem wir sie erhalten haben“, sagt Schulze. „Die eigentliche Ästhetik soll beibehalten werden.“ Die „Schuhe“ lehnen an einem meterhohen, leuchtend blauen „W“, das früher einmal zum Wertheim-Logo gehörte. Nach dem Transport wurde es nicht gesäubert. Mit Absicht: Auf der Oberseite, zwischen den Taubenpieksern, hängt noch etwas Originallaub vom Ku’damm. Ariane Breyer

Ariane Breyer

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