zum Hauptinhalt

Homepage: „Eines Tages werden wir den Urknall hören“

Der Physiker Karsten Danzmann vom Potsdamer Albert-Einstein-Institut über den Ursprung des Universums, die Rolle der Gravitationswellen bei der Beobachtung des Weltalls, die Schwierigkeit, diese Wellen zu messen und die dunkle Seite der Welt

Stand:

Herr Danzmann, was sagen Sie dazu, dass es US-Kollegen nun gelungen ist, Spuren von Gravitationswellen nachzuweisen?

Die Gravitationswellen waren eigentlich nur das Mittel, um erste Spuren der Inflation des Universums zu finden. Das war die eigentliche Entdeckung. Die Inflation war vorher nur eine ganz clevere Idee, um Schwierigkeiten zu beheben, wie wir sie in der Kosmologie haben, um zu erklären, wie das Universum aussieht.

Die Inflation beschreibt die Ausdehnung des Alls?

Direkt nach dem Urknall, fast als Teil des Urknalls, innerhalb von einem Wimpernschlag, hat sich das Universum um 20 bis 30 Zehnerpotenzen aufgebläht. Von der Größe eines Elementarteilchens bis zur Größe des Sonnensystems. Diese Hypothese ist nun durch die Entdeckung der US-Kollegen plötzlich vom Status einer obskuren, cleveren, aber unbeweisbaren Idee wahrscheinlich zur Wirklichkeit geworden. Das war das eigentlich Aufregende daran.

Ihre erste Reaktion?

Meine erste Reaktion war Unglaube. Ich hätte nie gedacht, dass man das von der Erde aus machen kann. Deshalb habe ich erst einmal gedacht, dass solch ein experimenteller Nachweis der Inflationstheorie gar nicht sein kann. Aber die Kollegen haben Glück gehabt, man muss das einfach sagen, die waren schlau – und sie haben den Erfolg verdient. Also: Herzlichen Glückwunsch! Das war eine ganz tolle Sache, Nobelpreiskategorie. Sie haben Glück gehabt, weil das Signal so stark war. So stark, wie es eigentlich keiner gedacht hätte. Sonst hätten sie es nicht sehen können. Es ist irrwitzig schwer, von der Erde aus diese Mikrowellen beobachten zu können.

Was wurde beobachtet?

Die Kollegen haben Licht beobachtet. Sie haben das Nachglimmen des Urknalls beobachtet, das nennt man die kosmische Hintergrundstrahlung. Die sieht so aus wie ein kalter, schwarzer Körper mit drei Kelvin, aber das ist nur die rotverschobene Strahlung des heißen Plasmas, was damals 3000 Grad heiß war und geleuchtet hat. Durch die Ausdehnung des Universums über die letzten 13 Milliarden Jahre ist dieses Leuchten in den Mikrowellenbereich verschoben.

Woher kommen diese Strahlen?

Diese Hintergrundstrahlung kommt aus allen Teilen des Universums zu uns. Sie ist erst 400 000 Jahre nach dem Urknall entstanden, weil das Universum anfangs nicht durchsichtig war. Am Anfang war zwar auch Strahlung, aber die wurde sofort absorbiert. Erst 400 000 Jahre nach dem Urknall hatte sich das Universum soweit abgekühlt und war durch die Ausdehnung so dünn geworden, dass sich plötzlich das Licht ausbreiten konnte. Diese Strahlung kannten wir bereits. Unsere Kollegen in Harvard haben nun eine Polarisation des Lichtes in dieser Mikrowellenhintergrundstrahlung beobachtet.

Welche Rolle haben dabei die Gravitationswellen gespielt?

Die Polarisation wurde durch Gravitationswellen beeinflusst, die während der Inflationsphase entstanden waren. Die haben für genau diesen kurzen Moment, in dem das Universum durchsichtig wurde, einen Stempelabdruck in der Mikrowellenhintergrundstrahlung hinterlassen. Das ist die Polarisationsrichtung, die Schwingungsrichtung des Lichtes. Die ist nämlich nicht wirklich zufällig, sondern folgt einem Wirbelmuster. Dieses Muster ist durch Gravitationswellen entstanden, die wiederum aus der Inflationsphase stammen. Das ist das Aufregende daran.

Was sagen uns die Gravitationswellen?

Der indirekte Nachweis dieser Wellen wurde benutzt, um etwas über das Universum zu lernen, das wir mit anderen Mitteln in keinster Weise lernen können. Ihren Ursprung haben diese Gravitationswellen nicht hier und heute, sondern sie traten vor über 13 Milliarden Jahren mit der Wärmestrahlung des Urknalls in Wechselwirkung.

Sie wollen diese Wellen nun auch direkt nachweisen.

Wir wollen sie nicht nur nachweisen, das Wesentliche ist, dass wir auf diese Weise das Universum beobachten wollen. Der Nachweis ist ein erster Schritt. Wir wollen sie hier und heute beobachten, wie sie durch uns hindurchlaufen. Damit wollen wir dann beobachtende Astronomie betreiben. Uns interessiert nicht nur der Ursprung des Universums, sondern auch der aktuelle Zustand. Wir wissen, dass 99,6 Prozent des Universums dunkel sind. Daraus wird kein Licht, keine elektromagnetischen Wellen ausgestrahlt. Alles, was wir darüber wissen, ist, dass auch die dunkle Seite des Alls der Schwerkraft unterliegt. Das heißt: Das ganze Universum wird sich irgendwie in der Schwerkraft bemerkbar machen. Damit wollen wir die dunkle Seite des Universums beobachten.

Was erwarten Sie?

Insbesondere interessieren uns schwarze Löcher und ähnliche Phänomene. Der Urknall selbst ist hier und heute etwas schwieriger zu beobachten. Ein Beispiel: Die Gravitationswellen, die in der Inflation entstanden sind, die sind heute noch da. Die sind nicht verschwunden. Alle Gravitationswellen, die jemals erzeugt wurden in diesem Universum, sind noch da, sie sind kaum gestreut, geschwächt, absorbiert oder abgelenkt. Die Strahlen heute nachzuweisen, ist aber sehr, sehr schwierig mit der ersten Generation von Detektoren, die uns zur Verfügung stehen.

Warum?

Diese Gravitationswellen, die nun in der kosmischen Hintergrundstrahlung ihren Abdruck hinterlassen haben, haben so niedrige Frequenzen, dass sie sich heute nicht direkt nachweisen lassen. Aus diesen Daten kann man nur schwer ableiten, wie groß das Signal vom Urknall bei höheren Frequenzen wäre. Da gibt es verschiedene Szenarien. Es ist durchaus möglich, dass bei hohen Frequenzen etwas passiert, aber das kann man nicht wirklich garantieren.

Womit versuchen Sie diese Wellen aufzuspüren?

Es gibt zwei amerikanische Detektoren, einen in Italien und einen in Deutschland. Auch die Japaner bauen gerade einen. Die Empfindlichkeit dieser Detektoren verbessert sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Mit dieser ersten Generation waren die Chancen nicht sehr groß. Die erwartete Ereignisrate lag bei einmal alle paar Hundert Jahre minimal und maximal einmal pro Jahr. Die Fehlergrenzen sind so riesengroß, weil wir so wenig über das Universum wissen. Das war immer nur als der erste Schritt gedacht. Zurzeit sind die anderen Detektoren gerade vom Netz genommen zum Umbauen, damit sie dann mit etwa 10-facher Empfindlichkeit Ende des Jahrzehnts wieder beobachten können. Wir halten im Moment noch die Wacht, für den seltenen Fall, dass hier eine Gravitationswelle durchgehen sollte.

Sie wollen in Zukunft sogar einen Detektor im Weltall platzieren.

Ins Weltall werden wir in einigen Jahren mit einer Satellitenmission gehen. Unser Projekt hat die Europäische Raumfahrtbehörde ESA vor Kurzem ausgewählt. Vom Weltraum aus ist es viel einfacher, zu beobachten, weil es dort keine Störgeräusche gibt, wie hier auf der Erde. Dort werden wir vor allem auf die niederfrequenten Gravitationswellen zielen. Hier von der Erde aus beobachtet man bei Frequenzen, die man noch hören könnte. Vom Weltraum aus kann man die wirklich niedrigen Frequenzen detektieren. Frequenzen im Millihertzbereich. Das sind Schwingungsdauern von Stunden, in dem Bereich strahlen die superschweren Schwarzen Löcher, die man im Zentrum jeder Galaxie findet. Auch unsere Galaxie hat ein Schwarzes Loch von vier Millionen Sonnenmassen in der Mitte.

Die Satellitenmission ist recht umfangreich, das Konstrukt aus drei Satelliten soll einen Umfang von mehreren Millionen Kilometern haben. Das wird sehr kostspielig. Warum sind die Gravitationswellen der Wissenschaft so viel wert?

Alles Wissen, das wir über unser Universum haben, wurde über das Licht zu uns gebracht. Aber nur 0,4 Prozent des Universums sendet überhaupt Licht und andere elektromagnetische Wellen aus. Selbst im Bereich des Lichts war es bisher so, dass sich unser Bild des Universums durch jedes neue Teleskop mit einer anderen Wellenlänge grundlegend geändert hat. Die Einführung der Radioastronomie zum Beispiel war eine Revolution.

Die Gravitationswellen versprechen nun den Durchbruch?

Davon erwarten wir, eine ganz unbekannte Seite des Universums zu entdecken. Was das ist, das weiß natürlich jetzt noch niemand. Einige Dinge weiß man schon: Schwarze Löcher heißen so, weil sie eben kein Licht abstrahlen. Die einzige Art von Strahlung, die Schwarze Löcher selbst abstrahlen, sind Gravitationswellen. Das Herz von Sternen oder Supernovaexplosionen wird man nur mit Gravitationswellen richtig verstehen. Im Universum gibt es noch viele andere Objekte, Neutronensterne zum Beispiel, ganz obskure Dinge, die ebenfalls Gravitationswellen aussenden. Und natürlich das frühe Universum.

Zurück bis zum Urknall also?

Eines Tages werden wir den Urknall hören, da bin ich dabei. Das werde ich noch erleben.

Und vor dem Urknall?

Da kommen wir in den Bereich der Philosophie. Alles, was wir in der Physik heute erklären können, ist dicht an den Urknall heran. Wo genau der herkam und was davor war, das ist im Moment der Physik nicht zugänglich. Da gibt es zwar viele meiner Kollegen, die sich darüber auslassen, aber das ist im Moment experimentell außer Reichweite, das sind reine Spekulationen. Wir tasten uns erst einmal an den Urknall heran und dann schauen wir weiter.

Die Detektion von Gravitationswellen, das wäre dann der Nobelpreis.

Uns treibt kein Nobelpreis an, wir wollen etwas über die Welt lernen. Wer diese Sache nur für Preise macht, der hat seinen Beruf verfehlt. Man darf nicht nur ergebnisorientiert sein, weil es auch mal Jahrzehnte dauern kann. Man muss seinen Spaß in der täglichen Arbeit haben. Nur dann kann man durchhalten und ist auch wirklich erfolgreich und glücklich.

Was werden Sie als nächstes in Angriff nehmen?

Meine nächste Tätigkeit ist ein Gutachten über eine Doktorarbeit, das gehört auch dazu.

Ich dachte, Sie gehen raus zum Detektor und checken die neuesten Daten?

Ich bin nicht oft draußen beim Detektor. Wenn da etwas passiert, dann klingelt mein Telefon.

Und wie können Sie ausschließen, dass es nicht nur ein Lastwagen war, der vorbeigerumpelt ist, sondern tatsächlich Gravitationswellen?

Das erfordert natürlich detaillierte Datenanalyse, um zu schauen, was das Signal wirklich war. Das ist ja der Grund dafür, dass mehrere Detektoren parallel laufen, damit man deren Daten miteinander abgleichen und falsche Signale auszuschließen kann. Wir würden dann auch optische Teleskope und Neutrinoteleskope kontrollieren, ob die etwas gesehen haben.

Sie leben also in einer permanenten Spannung?

Klar. Das macht es doch reizvoll.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })