Links und rechts der Langen Brücke: Einfalt statt Sorgfalt
Sabine Schicketanz über eine leider absehbare Potsdam-Pleite
Stand:
Schluss, aus und vorbei! Der Brauhausberg wird nicht Klein-Brasilien, Oscar Niemeyers Copacabana-Kuppeln werden nicht an die Havel gebaut. Die Absage für das Niemeyer-Bad ist Potsdams neueste Pleite – und sie war, leider, absehbar, nahezu von Beginn an. Zweieinhalb Jahre ist es her, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs jenen Coup verkündete, der so genial schien: Brasiliens Stararchitekt und Pritzker-Preisträger Niemeyer werde das jahrelang ersehnte Freizeitbad für Potsdam entwerfen. Aber schnell musste man den Eindruck gewinnen, dass es sich um einen der für die Landeshauptstadt so typischen Höhenflüge handelte: Als Niemeyers Kuppel-Landschaft vorgestellt wurde, ging ein böses Erwachen damit einher – denn der Preis von 50 Millionen Euro, zunächst auch noch schamvoll verschwiegen, spielte scheinbar keine Rolle. Die Neiddebatte im Land war programmiert: Während den darbenden Randregionen die Fördergelder genommen wurden, sollten die Potsdamer in brasilianischen Verhältnissen planschen können. Nein, so weit hätte es nicht kommen müssen! Nein, das Projekt hätte nicht sterben müssen – wenn die Stadtspitze es mit weniger Einfalt, aber zwingend nötiger Sorgfalt gemanagt hätte, einer erst gesicherten Finanzierung, einer solide durchgerechneten Planung. Ließ sich die Schraube nun nicht mehr zurückdrehen? Vielleicht. Schwerer wiegt, dass Potsdam von da an mehr noch als ohnehin schon für überhöhte Ansprüche, unangemessenes Selbstverständnis stand – erst Recht, als ausgerechnet Rainer Speer, der nicht gerade für einen feinfühligen Politikstil steht, von seinem Parteifreund Jakobs öffentlich mehr „Demut“ verlangte. Die hat Potsdam versucht. Die Stadt hat gekämpft, doch das Niemeyer-Bad galt längst als politisch nicht vermittelbar. Und, ganz ehrlich, so richtig kam es wohl auch bei den Potsdamern nicht an.
Und dann der Tod auf Raten. Erst der Einspruch des Finanzministeriums: Zu teuer. Dann die Bedenken des Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns, der früh mehr Solidität und Seriösität, weniger Milchmädchenrechnungen forderte, auf einen Neubeginn, eine Ausschreibung drang. Zweifel, Bedenken - irgendwann sind auch sie eine Realität, die sich manifestiert. Jetzt hat die Stadt endlich Klarheit. Und die bittere Erkenntnis, dass es als Touristenmagnet offenbar nicht taugte – diese Hürde, um die Fördermittel zu bekommen, nahm das Projekt nicht. Die Folgen? Sie sind nach den jüngsten Rathaus-Wirren schwer abzuschätzen. Die PDS, die immer auf Mängel beim Niemeyer-Bad hingewiesen hat, darf sich einmal mehr bestätigt fühlen. Und im Aufwind. Da war erst der Möbelhaus-Investor, den die Genossen und nicht das Rathaus in Drewitz präsentierten. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hat das Loch am Brauhausberg bereits getauft: „Jakobs-Brache“. Falsch liegt er damit wohl nicht.
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