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Essen im "Garage du Pont": Einmal schön ausgehen

Im Garage du Pont wurde am Montag geschlemmt: 15 „Familien in Not“ waren eingeladen

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Die beiden wollten nicht warten. Zu verlockend sah das Dessert aus, Schokoladenmousse mit frischen Erdbeeren, als dass Sophia und Lisa bis nach dem Hauptgang warten konnten. Sie deckten sich am Buffet als Erstes mit der süßen Leckerei ein. Die beiden Schwestern, fünf und neun Jahre alt, und ihre Familie gehörten zu den Gästen, die am gestrigen Montag im Restaurant Garage du Pont verwöhnt wurden. Zu der exklusiven Veranstaltung waren 15 Familien aus Potsdam und benachbarten Städten eingeladen worden. Zum Nulltarif – die Stiftung „Hilfe für Familien in Not“ hatte das Abendessen für Familien, die sich das sonst nicht leisten können, organisiert, außerdem wurden notwendige Fahrkosten übernommen.

Die Idee dazu hatte Kai Desinger, Inhaber des Restaurants in prominenter Lage, nur wenige Meter von der Glienicker Brücke entfernt. Vor zwei Jahren eröffnete er die „Garage“ , eine umgebaute Tankstelle von 1937, die vor allem Oldtimer-Liebhaber anzieht. „Mir geht es heute gut“, sagte Desinger, gern würde er davon etwas weitergeben. Der 47-Jährige ist Vater zweier Kinder, neun und fast zwei Jahre alt. „Traurige Kindergesichter, die machen einfach traurig“, sagte er. Familienleben mit kleinen Kindern sei ja an sich schon anstrengend, aber wenn man dann noch finanzielle Schwierigkeiten hat, sei es besonders hart. Deshalb wollte er den Familien einen schönen Abend ermöglichen, an dem keiner in der Küche stehen und nicht aufs Geld geschaut werden muss.

Die von der Stiftung ausgesuchten Familien waren allesamt Empfänger von Arbeitslosenhilfe oder Grundsicherung für Asylbewerber. Vor allem aber brachten die 15 Familien viele Kinder mit: Insgesamt 35 gehörten zu den 24 Erwachsenen, was den Lärmpegel in der Garage du Pont sehr ausschlagen ließ.

Kai Desinger nahm es gelassen. So hatte er sich das vorgestellt: Zusammen essen und die Kinder gut unterhalten, damit auch für die Erwachsenen etwas Zeit zur Entspannung bleibt, beispielsweise um miteinander ins Gespräch zu kommen. Drei Jugendliche vom Potsdamer Kinderzirkus Montelino sorgten nach dem Essen für Abwechslung und zeigten Ausschnitte aus ihrem Programm.

Satt wurde mit Sicherheit jeder. Der Küchenchef hatte ein leckeres Buffet nach Art des Hauses zusammengestellt, mit Lachs, Hühnchen, Antipasti und Salaten, doch der Renner – zumindest bei den Kindern – blieben die Nudelgerichte. „Spirelli mit Tomatensoße, das geht immer“, sagte Matthias Platzeck, der als Schirmherr der Stiftung gekommen war. „Kennt ihr den?“, stellte ihn Kai Desinger vor. „Ein wichtiger Mann, unser ehemaliger Ministerpräsident, und er ist ein Netter.“ Platzeck, gerade aus Russland zurückgekehrt, setzte sich mit einem Bier zu den Gästen und nahm sich Zeit zum Reden, seine Ehefrau Jeanette half bei der Kinderbetreuung.

Petra Langer und ihr Partner Fred Otto brauchten diese nicht. Die drei Jungs, sieben, zehn und zwölf Jahre alt, hatten keine Langeweile und legten ordentliches Benehmen an den Tisch. Im Mai kommt das vierte Kind, „endlich ein Mädchen“, sagte die Mutter. Die Jungs freuen sich auch auf die Schwester. Doch obwohl es dann noch enger wird in der Vier-Raum-Wohnung im Schlaatz, wollen sie da nicht wegziehen, sagte die Mutter. Petra Langer arbeitet ehrenamtlich im dortigen Familienzentrum, die Jungs sind täglich im Kinderklub. Das kostet nichts, und die Ferienfahrt nach Ostern für den Großen nur sehr wenig. Als Mutter von vielen Kindern sei es schwer, Arbeit zu finden, sagte die gelernte Altenpflegerin. Ihr Mann ist Frührentner, nebenbei fährt er für Kitas Essen aus. Eine größere Wohnung wäre zwar schön, aber vermutlich zu teuer für die Familie, für Weihnachtsgeschenke oder einen preiswerten Campingurlaub wird lange gespart. Essen gehen – das ist schon gar nicht drin im Budget, höchstens alle paar Monate mal eine Pizza bestellen. Sie genossen den Abend, auch wenn die Kinder bei den bewährten Nudeln blieben.

Familie Bozieva aus Kasachstan lebt seit fast sechs Jahren in Potsdam. Zu Hause wird russisch gekocht, der Vater hat den Beruf sogar gelernt, darf hier aber nicht arbeiten. Seine Frau, gelernte Verkäuferin, hofft, dass sich die Gesetzeslage bald ändert und sie arbeiten dürfen. Auch sie gehen so gut wie nie zum essen aus. Etwas stiller war es am Tisch von Konstantin Mahmos Familie. Die Eltern und vier Kinder aus Syrien sind erst seit wenigen Monaten in Potsdam, leben hier im Asylbewerberwohnheim. Kai Desinger setze sich gestern daneben und hörte zu, wie es ihnen ergangen ist. „Ich glaube, nicht so gut“, sagte er bedrückt.

Neben dem Überfluss an leckerem Essen war das Miteinander aller Beteiligten wichtig. Einmal rauskommen und Menschen treffen, die in ähnlichen Notsituationen stecken, so drückte es eine Frau aus. Für ihren Sohn, 17 Wochen alt, bekam sie eine Erstausstattung, aber so ein Kind höre ja nicht auf zu wachsen, sagt sie lachend, und Sachen und Kindernahrung, das wachse ja nicht auf Bäumen.

„Das ist eine ganz wunderbare Sache“, schwärmte Stiftungsratsvorsitzende Ute Tenkhof. Kai Desinger, der am gestrigen Abend auf die Einnahmen aus zahlender Kundschaft verzichtete, unterstützt die Stiftung schon seit Langem, indem er bei größeren Events wie den Oldtimerrallyes Spenden sammelt. Ob es eine Wiederholung dieses Abends gibt? „Ich mache eigentlich gern regelmäßige Sachen“, sagte der Gastronom.

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