zum Hauptinhalt

Von Jan Brunzlow und Henri Kramer: Einschnitte im Sozialen abgelehnt

Stadtverordnete und Sozialbeigeordnete verweigern Sparmaßnahmen bei Kitas, Kindern und Bedürftigen

Stand:

Die Sparvorschläge der Stadt und der Berater von „PricewaterhouseCoopers“ (pwc) geraten immer mehr in die Kritik: „Die Hinweise sind viel zu allgemein, im sozialen Bereich sind aus meiner Sicht keine Reserven da“, sagte die Stadtverordnete Sigrid Müller (Linke) am Donnerstagabend im Jugendhilfeausschuss. Nachdem bereits im Finanzausschuss Teile des Papiers der „Spar-Kommissare“ als kaum umsetzbar bemängelt worden sind, haben nun auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses einige der vorgeschlagenen Maßnahmen zurückgewiesen. Die pwc-Unternehmensberater hatten unter anderem vorgeschlagen, Parkgebühren zu erhöhen, Arbeitsverhältnisse und Unterrichtsangebote an der Musikschule zu verändern sowie stärker als bislang geplant innerhalb der Verwaltung zu sparen. Insgesamt seien durch die Maßnahmen 5,6 Millionen Euro jährlich kurz- und mittelfristig einsparbar. Die Stadt erwartet in diesem Jahr ein Minus von 24 Millionen Euro, durch den Tarifabschluss (siehe Kasten), das Wachstumsbeschleunigungsgesetz des Bundes und den teuren Winterdienst droht ein weiteres Loch von bis zu fünf Millionen Euro.

Daher setzt Kämmerer Burkhard Exner (SPD) auf stärkeres Sparen – und die Umsetzung einiger Vorschläge der Unternehmensberater. Die könnten sich auch vorstellen, die Kitagebühren zu erhöhen und weniger Geld für vernachlässigte Kinder auszugeben. Bei der „Hilfe zur Erziehung“, wie es in der Studie heißt, seien die Kosten seit dem Wechsel der Bewilligungskompetenz vom Sozial- zum Jugendamt stark angestiegen. Die Fallzahlen der stationären Behandlung würden im Vergleich zu anderen Städten deutlich höher liegen, sagten die Prüfer. Sie schlagen daher eine Reduzierung der stationären Behandlungen vor – die Kinder sollten lieber in Potsdamer Pflegefamilien untergebracht werden. So könnten 300 000 Euro im Jahr eingespart werden.

„Da stehen wir aber schon gut da“, sagte Sozialdezernentin Elona Müller (parteilos) im Jugendhilfeausschuss. Für die Pflichtaufgabe plant Potsdam für dieses Jahr zwölf Millionen Euro ein – 2,2 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Begründet wird dies mit der Zunahme von „sozialen Verwerfungen“. In einigen Stadtteilen hätten die Aufwendungen in den vergangenen Jahren verdoppelt werden müssen, sagte Jugendamtschef Schweers. Als einen der Gründe nannte Schweers eine höhere Sensibilisierung für das Thema Kindeswohl in der Gesellschaft. Die schrecklichen Ereignisse in anderen Städten in den vergangenen Jahren hätten die Gesellschaft aufgerüttelt. Auch in Potsdam gebe es immer mehr Anzeigen wegen möglicher Kindeswohlgefährdung, daher müsste Geld für 4,5 neue Sozialarbeiterstellen geschaffen werden. Das koste rund 500 000 Euro mehr, sagte Schweers.

Der städtische Jugend- und Sozialbereich konnte sich bislang jedoch weitgehend gegen eine sofortige Umsetzung der Sparvorschläge wehren. Alle Varianten sind als Prüfvarianten ins Haushaltssicherungskonzept eingeflossen. So auch der Vorschlag für höhere Elternbeiträge in Kindertagesstätten; sie seien seit 2003 nicht mehr erhöht worden. Dennoch bezeichnete Sozialbeigeordnete Müller eine Erhöhung als „für uns nicht akzeptabel“. Für dieses Jahr plant die Verwaltung 38,4 Millionen Euro für Kitas ein, das sind vor allem wegen der steigenden Zahl der zu betreuenden Kinder knapp vier Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Vorschläge der pwc-Prüfer wie die Absenkung der Mietobergrenzen für Hartz-IV-Empfänger und geringere Eingliederungshilfen für Behinderte werden laut Verwaltung bislang „nur“ geprüft.

Angemahnt hatten die Unternehmensberater eine „stärkere Transparenz der Wirtschaftlichkeit“ der freien Jugendhilfe-Träger. Ebenso müsse es bei der Jugendarbeit eine Wirksamkeitsanalyse geben. „Solche Untersuchungen hätten wir gern, aber es gibt sie nicht“, sagte Birgit Morgenroth (SPD) und erhielt dafür die Zustimmung vieler Jugendhilfeausschussmitglieder. Für Jugendarbeit sind im Haushalt 4,43 Millionen Euro eingeplant, rund 560 000 Euro mehr als noch 2009 – laut Amtsleiter Schweers, um alle Angestellten nach Tarif zu bezahlen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })