Landeshauptstadt: Einstimmig für den Schlossabriss
Vortrag zur Rolle der Potsdamer Volksvertreter nach 1945 und in den Anfangsjahren der DDR
Stand:
Ein frühmorgendlicher Beschluss am 13. November im Jahr 1959 entschied die städteplanerische Zukunft Potsdams in der DDR: Um 7 Uhr an jenem Freitag traf sich der Rat der Stadt unter Oberbürgermeister Wilhelm Rescher, um einen Aufbauplan für Potsdam zu beschließen. Er setzte den vom SED-Politbüro geforderten Abriss des Stadtschlosses voraus. Danach folgte der sogenannte Demokratische Block aus Parteien und Massenorganisationen der Entscheidung. Nicht anders die sich anschließende Stadtverordnetenversammlung: einstimmig wurde der Abbruch beschlossen.
Dieses Szenario schilderte der Historiker Thomas Wernicke jüngst im Alten Rathaus im Abschlussvortrag der vom Förderverein des Potsdam-Museums veranstalteten Reihe „Bürger machen Politik - 200 Jahre Potsdamer Stadtverordnetenversammlung“. Wernicke behandelte die Rolle der Volksvertretung nach 1945. Zur Tagung vom November 1959 wurde der Abriss in 17 gleichlautenden Resolutionen von den Arbeitern des VEB Bau Potsdam gefordert. Für die LDPD begründete ein Abgeordneter die Entscheidung damit, die Stadtschlossruine stelle eher ein Verkehrshindernis als ein Kulturdenkmal dar.
Thomas Wernicke schilderte den Nachkriegsweg des Stadtparlaments von demokratisch bestimmten Anfängen in die Diktatur. Als es am 15. September 1946 erstmals gewählt wurde, gab es eine bürgerliche Mehrheit: 25 Abgeordnete der SED standen 20 der CDU plus 14 der LDP gegenüber. Oberbürgermeister blieb jedoch der von der sowjetischen Besatzungsmacht installierte Walter Paul, Bürgermeister wurde der CDU-Politiker Erwin Köhler. Schon damals wachten Partei und Besatzungsmacht über die Kommunalpolitik. Dazu hat Wernicke Berichte des Polizeichefs Richard Staimer recherchiert. Darin wird auch verwiesen, dass auf Wahlkundgebungen in Potsdam und Babelsberg bereits die Erwähnung der Sowjetunion und der Roten Armee Missfallensbekundungen und Buhrufe auslöste.
Anfang der 1950er Jahre gingen Besatzungsmacht und SED-Regime mit mörderischer Gewalt gegen alle Kommunalpolitiker vor, die sich der stalinistischen Diktatur widersetzten. In Potsdam begann diese Kampagne auf einer Stadtverordnetentagung im Januar 1950, wo der CDU-Baustadtrat Heinrich Richard, der eine zentralistisch bestimmten Bauplanung ablehnte, als „Wirtschaftsverbrecher“ angeprangert wurde. Dazu wurden „Arbeiterproteste“ organisiert, die zum Abbruch der Sitzung führten. Richard, der in den Westen geflohen war, erhielt in Abwesenheit eine zweijährige Zuchthausstrafe. Dem stalinistischen Terror zum Opfer fielen die Abgeordneten Ludwig Baues, Franz Schleusener und Bürgermeister Erwin Köhler mit seiner Ehefrau Charlotte. Vorwand für die Verhaftungen waren Spionage, antisowjetische Hetze oder Gruppenbildung. Baues und Scheusener wurden bereits während ihrer Untersuchungshaft in Potsdam getötet, die Köhlers verurteilt und 1951 in Moskau erschossen. Sohn Jürgen Köhler, unlängst verstorben, hatte in jahrzehntelanger Tätigkeit das Schicksal seiner Eltern aufgeklärt und in Moskau ihre Rehabilitierung erreicht. Demnächst wird der Platz zwischen Zimmer- und Lennéstraße den Namen Köhlerplatz erhalten. E.Hoh.
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