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Sport: Eiskalt vor und im Tor

Im Elfmeterduell sicherte sich Turbine Potsdam in Essen den Verbleib im lukrativen DFB-Pokalwettstreit

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Im Elfmeterduell sicherte sich Turbine Potsdam in Essen den Verbleib im lukrativen DFB-Pokalwettstreit Von Michael Meyer 14 Stunden nach ihrer Großtat für den FFC Turbine Potsdam „kämpfte“ Nadine Angerer schon wieder in eigener Sache: Die Torfrau des Fußball-Bundesligisten bewältigte gestern Vormittag daheim in Potsdam die Abschluss-Klausur im Fach Gynäkologie ihrer Physiotherapie-Ausbildung mit einer Zwei plus. Am späten Mittwochabend hatte Angerer ihren Verein vor dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokalwettbewerb und damit vor erheblichen finanziellen Verlusten bewahrt, als sie im Zweitrundenspiel beim Liga-Kontrahenten SG Essen-Schönebeck nach 120 Minuten Nervenstärke im notwendigen Elfmeterschießen bewies und Essens sechsten Strafstoß hielt. Turbine gewann so mit 8:7 (2:2, 2:2, 1:1), steht im Achtelfinale am 6. November und kann morgen früh beruhigt zum UEFA-Cup-Viertelfinal-Hinspiel bei Valur Reykjavik (Sonntag, 14 Uhr Ortszeit) fliegen. „Dieses Spiel hat mich gleich ein paar Jahre altern lassen“, stöhnte später Potsdams Trainer Bernd Schröder und gestand: „Traumata wie unser früheres mit dem Hamburger SV wiederholen sich mitunter, und ich hatte das in Essen zwischenzeitlich vor Augen. Eine Niederlage hätte ja verheerende Folgen für uns haben können, dieser hart erkämpfte Sieg aber hat die Moral unserer Truppe gestärkt.“ Doch der Reihe nach: Vor offiziell 831 Zuschauern – unter ihnen Bundestrainerin Silvia Neid, das komplette Team des Bundesligisten FCR Duisburg sowie Holger Fach, Trainer des Männer-Bundesligisten VfL Wolfsburg – versuchten die Gastgeberinnen, Turbine mit aggressivem Offensivspiel sofort den Schneid abzukaufen. Potsdam kam nach zweieinhalbwöchiger Spielpause nur schwer in Tritt und zeigte in der Abwehr einige Schwächemomente. Glück hatte Peggy Kuznik, der fast ein Eigentor unterlaufen wäre (10.), Pech hatte auf der Gegenseite Anja Mittag mit ihrem Lattentreffer (5.). Als Jennifer Balkenhol vors Turbine-Tor flankte und dabei Inken Becher anschoss, jubelten die Gastgeberinnen über das 1:0 (38.), als Ariane Hingst nach Vorarbeit von Anja Mittag und Conny Pohlers aus Nahdistanz flach ins rechte Eck zum 1:1 traf (44.), atmeten die Gäste auf. Später schoss Cristiane – am Mittwoch erstmals im Sturm aufgeboten – Turbine nach schönem Zuspiel Petra Wimberskys in Klassestil gar in Front (55.), ehe die Ex-Potsdamerin Stephanie Weichelt freistehend ausglich (70.). Zuvor hätte Pohlers schon Potsdams Führung ausbauen können, doch sie schoss aus Nahdistanz nur Essens Torfrau Stefanie Löhr an (65.). So ging es in die Verlängerung, die torlos blieb, ehe es dieses Duell mit präzise geschossenen Elfmetern gab: 2:3 Aferdita Podvorica, 3:3 Barbara Müller (Angerer war fast dran am Ball), 3:4 Ariane Hingst, 4:4 Sandra Deilmann, 4:5 Karolin Thomas, 5:5 Silke Tancyus, 5:6 Anja Mittag, 6:6 Julia Bolle, 6:7 Petra Wimbersky, 7:7 Melanie Hoffmann. Als dann eine sechste Potsdamer Schützin gesucht wurde, griff sich Youngster Isabel Kerschowski kurzerhand das Leder, stiefelte zum Elfmeterpunkt und verwandelte eiskalt zum 7:8. „Klar war ich aufgeregt, aber ich habe beim BSC Marzahn immer die Elfmeter geschossen und dabei erst zweimal in meinem Leben nicht getroffen“, erzählte die im Sommer aus der Berliner Verbandsliga zu Turbine gewechselte 17-Jährige. „Als der Ball drin war, war ich natürlich erleichtert, und als Nadse dann gehalten hatte, war unsere Erleichterung riesengroß.“ Coach Schröder zeigte sich sehr angetan von Kerschowskis Coolness. Und auch „Nadse“ Angerer – die zwei Tage vorher geträumt hatte, einen Elfmeter schießen zu müssen – applaudierte ihrer jungen Stürmerin: „Das hat Isi super und mit viel Selbstvertrauen gemacht.“ Als anschließend Essens Mirja Kothe unsicher zum Punkt schritt, erklärte Schröder an der Seitenlinie: „Das wird es.“ Auch Angerer blieb cool und sagte später in ihrer typisch trockenen Art: „Ich war mir sicher, dass ich den halte. Bisher habe ich noch nie ein solches Elfmeterschießen verloren. Außerdem wollte ich endlich nach Hause“ Zu Hause waren die Potsdamerinnen nach langer Busfahrt gestern früh gegen fünf, am Nachmittag war Auslaufen im Luftschiffhafen angesagt. Heute wird noch einmal trainiert, ehe Turbine morgen früh um 6.35 Uhr von Tegel aus via Amsterdam nach Reykjavik fliegt. Bei Islands Meister Valur „wartet die nächste schwere Aufgabe auf uns“, weiß Nadine Angerer, die mit Lehrbüchern nordwärts düsen wird, denn nächste Woche steht sie erneut im Prüfungsstress. So wie auch heute. Da wird Turbines Torfrau in Berufskunde geprüft – mit einer sportlichen Sorge weniger im Nacken. Turbine: Angerer; Becher, Carlson, Kuznik; Zietz, Omilade (72. Thomas), Hingst, Wimbersky; Cristiane (72. I. Kerschows- ki), Pohlers (88. Podvorica), Mittag.

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