Landeshauptstadt: Elbverlauf am Ringfinger
In „Gold & Silber“ gibt es edlen, individuellen Schmuck – Rettung für manchen Ehemann, wenn Weihnachten mal wieder ganz überraschend kommt
Stand:
Auf ihrem Hocker sitzt Miriam Haedler fast so tief wie auf einem Kinderstühlchen. An der Werkbank vor ihr, in Brusthöhe, bearbeitet sie einen Silberanhänger. Die Propangasflamme für das Löten steuert sie über die Sauerstoffzufuhr. Dazu bläst sie in einen kleinen Schlauch. Neben und über ihr hängen diverse Apparate, eine „biegsame Welle“, sagt sie, Schleif- und Bohrmaschinen, dazu Becher und Kästchen mit winzigen Aufsätzen in diversen Profilen und Größen. Ein wenig sieht es aus wie beim Zahnarzt. Aber dies hier ist die Schmuckmanufaktur und Werkstatt von Silberschmiedemeisterin Miriam Haedler und Goldschmiedemeisterin Antje Dragendorf.
Den Unterschied zwischen beiden Berufen erklärt Miriam Haedler so: Der Goldschmied macht Schmuck, der Silberschmied Korpusware, Besteck, Geschirr, Pokale und Kirchengerät wie Monstranzen. Mit dem verarbeiteten Material habe die Berufsbezeichnung nichts zu tun.
Miriam Haedler ist irgendwie beides, sie lernte in Hamburg Goldschmiedin, studierte in London drei Jahre Schmuckdesign und bildete sich anschließend zur Silberschmiedmeisterin weiter. Im Dezember 2004 eröffnete sie zusammen mit Antje Dragendorf, Goldschmiedmeisterin, in der Gutenbergstraße den Laden. Beide Frauen hatten sich über eine Anzeige kennengelernt: via Zettelchen an der Pinnwand im Fachhandel. Nun steht das zehnjährige Geschäftsjubiläum bevor.
Es läuft gut, sagt Antje Dragendorf, legt Poliergerät und Armband aus der Hand und klappt die Lupenbrille hoch. „Naja, auch wir haben Sorgen, wahrscheinlich wie viele Händler.“ Die unaufhörlich steigenden Mieten machen ihnen Angst. Bald können sich nur teure Schickimicki-Läden oder umsatzstarke Unternehmer Geschäftsräume in der Innenstadt leisten, befürchtet sie.
Doch noch wollen sich die Frauen davon nicht verrückt machen lassen. Sie haben immer zu tun. Neuen Schmuck entwerfen und herstellen, nach eigenen Ideen oder den Vorstellungen und Entwürfen der Kunden. Sie führen Reparaturaufträge durch – und arbeiten alte Schmuckstücke um. Der Stein von Großmutters verschnörkeltem Ring wird dann zu einem modernen Anhänger. Das komme gar nicht so selten vor, sagt Antje Dragendorf. Und es macht ihr Spaß, gemeinsam mit dem Kunden eine neue Form für das Erbstück zu finden, damit es auch getragen wird und nicht nur ein Schubladendasein fristet. Daneben gibt es auch Traurig-Berührendes. „Ich hab mal ein Kästchen aus Bergkristall mit einer Kinderhaarlocke im Inneren gemacht“, sagt Antje Dragendorf.
Viel Aufmerksamkeit richten sie auf den Wareneinkauf. Auf Fachmessen lassen sie sich inspirieren, schauen, was andere Goldschmiede so machen. „Da sieht man durchaus Unterschiede von Werkstatt zu Werkstatt, jeder hat so seine Handschrift“, sagt Antje Dragendorf. Bei den Messen wird auch Material eingekauft. Vor allem auf schöne, außergewöhnliche Steine mit besonderen Schliffen legen sie Wert. Die Goldschmiedin zeigt eine Halskette aus Chrysopras, eine milchig-smaragdgrüne Quarz-Varietät. Schwer und kühl legt sich das Schmuckstück um den nackten Hals, die Handwerkerin persönlich verschränkt die silbernen Ringe der Schließe, die ebenfalls wie ein kleines Kunstwerk aussieht. Schmuck anprobieren ist hier erwünscht, gern holen die beiden Frauen Ringe, Ketten, Arm- und Ohrschmuck aus den Vitrinen und der Fensterauslage. In einem Ganzkörperspiegel kann man sich betrachten. Der Schmuck muss schließlich zum Typ passen, finden sie, zu Körper und Hautfarbe, zum Teint.
Gerade bei Trauringen – ein Schwerpunkt ihrer Arbeit – ist das wichtig. Sie sehen sich die Hände der Brautleute an und schlagen das passende Material vor, Gelbgold, Rosé, Silber. Wer nichts von der Stange möchte, der lässt sie sich individuell fertigen. Fast alles ist machbar – ob klassisch oder ganz verrückt. Einmal sollte der Elbverlauf in den Ring eingraviert werden, ein anderes Mal die Brücken einer bestimmten Stadt. Mit solchen Sonderwünschen sollte man allerdings nicht auf den letzten Drücker zu ihnen kommen. Das Paar muss mehrere Sitzungen einplanen, für den Entwurf, das erste Anfühlen, Anprobieren, bis zum fertigen Ring. „Das ist ein Prozess, man ist dabei, wenn der Trauring langsam sein endgültiges Aussehen bekommt“, sagt Antje Dragendorf.
Doch es muss nicht immer so etwas Gewichtiges wie ein Trauring sein. In „Gold & Silber“ gibt es Einzelteile ab etwa 50 Euro, die Preisskala ist selbstredend nach oben offen. Das Design reicht von klassisch bis exzentrisch, modern, geradeaus oder verspielt. Frauen kaufen sich hier ihr Lieblingsstück, Männer suchen Last-Minute-Geschenke. „Der Geburtstag der Frau kommt immer ganz überraschend, Weihnachten auch“, witzelt Antje Dragendorf. Und es gebe tatsächlich noch Kunden, die schönen Schmuck als Wertanlage kaufen. Der Preis von Edelmetallen sei relativ stabil, es lohnt sich auch für sie selbst, jedes Krümchen in einem unter der Werkbank gespannten Ziegenfell aufzufangen und den Abfall zu recyceln. „Wenn Sie eine neue Küche kaufen – die ist irgendwann hinüber“, sagt Miriam Haedler. „Ein Schmuckstück behält seinen Wert.“
Gutenbergstr. 87, Tel. (0331) 2972363
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