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Landeshauptstadt: Eltern unter Leistungsdruck
In Potsdam treffen sich Mütter und Väter von Hochbegabten zum Stammtisch
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Seit Wochen sitze sie wieder täglich am Rechner und suche im Internet nach einer neuen Schule für ihr Kind, klagt die Mutter. Dabei sei der Alltag mit einem Kind, das mit einem überdurchschnittlichen IQ gesegnet ist, schon schwer genug. Ab 130 zählt man laut Definition zu den Hochbegabten, das betrifft etwa zwei Prozent aller Kinder. Die fordern ihre Eltern heraus, gerade wenn es in der Schule langweilig ist. „Instrumentalunterricht, Museumsbesuche, Sport, die Nachmittage sind in der Regel ausgefüllt“, sagen betroffene Eltern.
Ein gutes Dutzend – darunter mehr Mütter als Väter – treffen sich seit Kurzem an jedem dritten Dienstag im Monat zu einem Stammtisch im Café Heider. Was gibt es Neues aus den Schulen, wo finden Nachmittagsangebote statt und gibt es rechtliche Möglichkeiten, einen Platz in einer Leistungs- und Begabtenklasse zu erstreiten? Das sind Fragen, die dort zur Sprache kommen. Auch Frust ablassen tue von Zeit zu Zeit gut, sagen die Eltern, die ihre Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen. Wenn das Kind zum Beispiel mit Migräne und Bauchschmerzen aus der Schule nach Hause kommt und sich nur noch zurückzieht, sei das ein Zeichen, dass da etwas nicht stimmt, so eine Mutter. Zwar können zwei andere Stammtisch-Teilnehmerinnen nur Positives über die Schulen ihrer Kinder berichten – beides Einrichtungen in freier Trägerschaft – der Großteil fühlt sich allerdings mehr oder weniger allein gelassen. „Wenn die Schule sich weigert, auf das individuelle Kind einzugehen, ist das ein Drama“, sagt Gundula Schielicke, die den Elternstammtisch initiiert hat. Sie fragt sich, welche Schulen sich die Begabtenförderung nicht nur ins Profil geschrieben, sondern auch in der Praxis umgesetzt haben. Manche Schulen, wirft eine Mutter ein, wollten mit den Hochbegabten nur ungern zu tun haben, „die machen doch nur Arbeit“, kriege man indirekt an den Kopf geworfen. Während eine zusätzliche Förderung leistungsschwächerer Schüler mittlerweile unumstritten ist, fallen die manchmal schwierigen Kinder mit einer Hochbegabung offenbar durch das Raster. Trotz oder gerade wegen des hohen IQ sind sie eventuell verhaltensauffällig und haben nicht unbedingt die besten Zensuren, weil sie im Unterricht abschalten. Oft machen Eltern die Erfahrung, dass es letztlich vom einzelnen Lehrer abhängt, ob und wie ein Kind Förderung erfährt. Fördern oder springen, also in höhere Klassen aufrutschen – was besser ist, können die Potsdamer Eltern pauschal auch nicht sagen. Wer im Schulbetrieb eine Nische findet, müsse sich eben durchschleppen bis zum Abi, sagt eine andere. Gundula Schielicke, Mutter eines hochbegabten Sohns, fragt sich, ob sich die Gründung einer Schule eigens für diese Kinder lohnen würde. In Berlin gibt es seit August das private Galileo-Gymnasium, das sich auf hochbegabte Schüler einstellt. „Unsere Kinder sind eben anders, aber wo sollen die Freaks, die in ein paar Jahren in irgendeinem Planetarium in der Eifel sitzen und forschen, denn sonst herkommen?“, sagt eine Mutter erbost.
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