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Landeshauptstadt: Ende und Anfang

Im Frauenzentrum lernen Vietnamesinnen Deutsch

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Auf Vietnamesisch ist alles viel einfacher. Was wichtig ist, kommt zuerst. Zum Beispiel bei den Wochentagen: Statt komplizierter Namen gibt es eine Nummer. Für den Montag die zwei, den Dienstag die drei, den Mittwoch die vier und so fort. Und der erste Tag ist selbstverständlich der Sonntag, erklärt Huyen Thanh. Die 44-jährige Vietnamesin unterrichtet am Autonomen Frauenzentrum Deutsch – hauptsächlich für Vietnamesinnen.

Es ist Freitag Vormittag und der Raum im Erdgeschoss füllt sich nach und nach: Die Frauen, die zum wöchentlichen Kurs kommen, begrüßen ihre Lehrerin auf Vietnamesisch – Thanh antwortet auf Deutsch. Schon wegen Shuli: Denn die 50-Jährige ist Taiwanerin und spricht Chinesisch. Bevor der Unterricht beginnt tauschen die Kursteilnehmer Neuigkeiten aus: Gespräche über die vergangene Woche, eine Schülerin hat ihre Medikamente mitgebracht und zeigt der Lehrerin nun den Beipackzettel. „Manchmal bin ich mehr Betreuerin“, erzählt Thanh. Neben ihrer Stelle im Frauenzentrum arbeitet sie auch als Dolmetscherin und begleitet die Frauen zum Beispiel zum Arzt oder auf Behörden.

Seit drei Jahren gibt es den Deutschkurs bereits. Für die Teilnehmerinnen ist er kostenlos. Wenn die Finanzierung nicht gesichert ist, arbeitet Thanh auch ehrenamtlich. Pädagogin sei sie eigentlich gar nicht, betont sie.

Trotzdem erklärt sie den Vietnamesinnen die deutsche Sprache: „Wir sprechen auf einfache Weise Deutsch.“ Die Frauen müssen die Grammatik nicht beherrschen, sondern auf Fragen und Aussagen reagieren könnten, meint sie. Am heutigen Freitag steht ein trockenes Thema auf dem Programm: Behörden. Wie entschlüsselt man eine Tafel mit Öffnungszeiten? Thanh erläutert die Abkürzungen Mo, Di und Mi – auf Deutsch. „“Geschlossen“ bedeutet “zu““, sagt die Lehrerin. Ihre Schülerinnen unterhalten sich zwischendrin in perlendem Singsang.

Fünf Frauen sind heute gekommen – manchmal sind es zwölf, erzählt die Lehrerin. Dass die Schülerinnen ein so unterschiedliches Niveau haben, mache es „verdammt schwierig“. Sie versucht denoch, auf jede Frau individuell einzugehen. Die 37-jährige Hat, die erst ein halbes Jahr in Deutschland ist, soll die Wochentage aufzählen. Die 35-jährige Trang dagegen soll eine Verabredung treffen. „Eine Verabredung ist ein Termin“, erklärt die Lehrerin. „Können wir uns am Montag treffen?“, fragt Trang.

Ihr Name bedeutet „Neuanfang“, verrät Huyen Thanh. Die Schülerin, die seit sieben Jahren in Potsdam lebt, hat ihren Sohn mitgebracht. Der Junge ist kaum ein halbes Jahr alt und schläft. Normalerweise gibt es auch eine Kinderbetreuung zum Sprachkurs, sagt Thanh. „Langsamer sprechen, nicht übereinander“, ermahnt sie die junge Mutter.

Geduld ist wichtig im Deutschen, lernen die Vietnamesinnen. Nicht nur wegen der Verben, die immer erst am Schluss des Satzes kommen: „Man muss warten bis zum Ende“, erklärt Thanh und zuckt mit den Schultern. Aber schließlich ist hier auch der Sonntag der letzte Tag der Woche. „Wochenende“, sagt die Lehrerin und schreibt das Wort an die Tafel: „Ich liebe dieses Wort.“ Jana Haase

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