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Landeshauptstadt: Endlich anonym

Nach dem Umzug 2011: Mehr Frauen im Frauenhaus

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Ein Jahr nach dem Umzug ziehen die Koordinatorinnen des Frauenhauses Potsdam positive Bilanz: „Die Lebensqualität ist besser“, resümiert Koordinatorin Simin Tabeshian. In der neuen Unterkunft der Einrichtung für Frauen, die ihre Wohnung wegen Gewalterfahrungen verlassen mussten, gebe es nicht nur passendere Räumlichkeiten. Erstmals sei dort auch die Anonymität wirklich gesichert – anders als bei der Vorgängerunterkunft unter der alten Adresse, die so bekannt war, dass akut bedrohte Frauen nach Berlin überwiesen werden mussten. Auch die Zahl der Plätze hat sich im neuen Frauenhaus erhöht: Gab es früher 17 Plätze in sechs Zimmern, stehen heute 21 Plätze in vier Wohnungen zur Verfügung – modern und barrierefrei ausgestattet, so dass auch Frauen mit Behinderung aufgenommen werden können.

Etwa 53 Frauen und 43 Kinder haben trotz Umzugstrubel allein 2011 dort vorübergehend Unterkunft gefunden, sagt Sozialarbeiterin Nadia Hübner. Zum Vergleich: 2010 im alten Frauenhaus waren es insgesamt 34 Frauen und 21 Kinder. 41 Prozent der Frauen kamen aus Potsdam, die übrigen aus Berlin und den Umlandgemeinden, ein einstelliger Prozentanteil sogar aus anderen Bundesländern. Das Thema häusliche Gewalt beschäftigt die Potsdamer Polizei statistisch gesehen jeden Tag: In 381 Fällen sind die Beamten von Januar bis Oktober 2011 gerufen worden. 2010 gab es insgesamt 382 Fälle, im Jahr davor 358.

Für Betroffene, die ins Frauenhaus flüchten wollen, hat sich seit dem Umzug auch das Aufnahmeverfahren geändert. „Sie stehen nicht mehr mit dem Koffer vor der Tür“, fasst Simin Tabeshian zusammen. Nach der Kontaktaufnahme über die Telefonnummer (0331) 96 45 16 oder einem Gespräch bei der Frauenberatung des Frauenzentrums in der Nansenstraße 5 bekommt die Frau einen Abholpunkt genannt, an dem sie sich einfinden soll. Die Adresse des Frauenhauses erfährt sie vorher nicht – zum eigenen Schutz, wie die Mitarbeiter betonen.

Insgesamt drei Sozialpädagoginnen teilen sich zwei Stellen am Frauenhaus, zudem gibt es derzeit zwei Frauen, die die Einrichtung dank der geförderten Projekte „Bürgerarbeit“ und „Arbeit für Brandenburg“ beschäftigen kann. Das Team unterstützt die Frauen im Alltag und bei der Planung der nächsten Schritte: Dazu gehört etwa die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle, einer Wohnung, einem Kitaplatz. Auch die finanzielle Situation ist ein Thema: Viele Frauen verschuldeten sich, weil sie Miete für die alte gemeinsame Wohnung weiter zahlen müssen. „Wir entwickeln im Gespräch einen Plan: was steht an, was ist wichtig“, erklärt Nadia Hübner. Eine halbtags beschäftigte Mitarbeiterin kümmert sich um die Kinder: Nach einer Gewalterfahrung zu Hause stehe oft auch die Mutter-Kind-Beziehung auf dem Spiel, sagt Simin Tabeshian. Auch zu Behörden begleiten die Sozialarbeiterinnen die Frauen auf Wunsch.

Denn nicht immer können von Gewalt betroffene Frauen dort auf Verständnis hoffen: Besonders dringend sei der Handlungsbedarf beim Jobcenter der Landeshauptstadt. Dort sei es etwa vorgekommen, dass Frauen erklären müssen, warum sie bei ihrer Flucht keine Möbel mitgenommen haben. Die Mitarbeiter des Frauenhauses wünschen sich deshalb einen speziell geschulten festen Ansprechpartner beim Jobcenter. In Berlin-Spandau gebe es das bereits. Jana Haase

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