
© Olaf Möldner
Von Henner Mallwitz: Endlich mal wieder durchgeschlafen
Potsdams Judoka sind nach dem Trainingslager in Japan wohlbehalten in Deutschland gelandet
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Die Eindrücke, die schlimmen Bilder aus den Nachrichten und nicht zuletzt die eigene Hilflosigkeit werden sie wohl noch lange Zeit nicht vollends verarbeitet haben. Claudia Ahrens, Robert Kopiske und Robert Zimmermann waren in Japan, als die bislang größte Naturkatastrophe in das fernöstliche Land hereinbrach. Inzwischen sind die drei Judoka des UJKC Potsdam wohlbehalten in Deutschland gelandet, hatten zuvor ihr für zwei Wochen geplantes Trainingslager aufgrund der katastrophalen Lage abgebrochen und haben nun alle Mühe, sich wieder auf den Sport zu konzentrieren.
Während die beiden Männer während des Trainingslagers im Süden Japans nichts von Erdbeben und Tsunami mitbekamen, erlebte Claudia Ahrens die Hölle auf Erden. Die 23-Jährige war in der dritten Etage ein achtstöckigen Tokioter Hotels, als am Donnerstag vergangener Woche die Erde bebte. In Sugamo, einem der Küste entfernten westlich gelegenen Stadtteil, war sie untergebracht und nahezu allein im Hotel. „Zuerst hat alles geklappert, dann knarrten die dünnen Wände, und noch nicht einmal da habe ich mir wirklich Sorgen gemacht“, erzählt die Potsdamerin. „Doch als der Boden plötzlich wie auf einem Schiff auf hoher See wankte, kam doch die Angst.“
Eine Teamkollegin kam in diesem Moment ins Zimmer und wusste, dass der sicherste Platz jener im Türrahmen ist. Und so kauerten die beiden dort, bis sie sich durch den Notausgang ins Freie trauten. „Da waren viele Japaner, die ausgesprochen ruhig und gelöst wirkten“, denkt Claudia Ahrens zurück. „Das hatte uns zumindest zum Anfang etwas beruhigt.“ In der Hauptstadt selbst hatte das Beben wenig angerichtet – allerdings habe es wegen des U-Bahn-Ausfalls immense Verkehrsprobleme gegeben, berichtet Ahrens. Über das Internet nahm sie schließlich Kontakt zum Rest der deutschen Nationalmannschaft auf – alle waren unversehrt.
Als es am nächsten Tag die erste Explosion in einem Atomkraftwerk gab, war es dringend Zeit für eine Teamsitzung. „Wir hatten das Trainingslager mit den besten Leuten der Welt im Hinblick auf die Europameisterschaften eigentlich für zwei Wochen geplant“, erzählt Claudia Ahrens. „Aber zusammen mit dem Bundestrainer haben wir uns nicht zuletzt wegen der atomaren Bedrohung entschieden, ganz schnell nach Hause zu fliegen.“
Der Deutsche Judo-Bund tat alles Mögliche, um die deutschen Sportler aus Japan auszufliegen, orderte Plätze in einem Flugzeug nach Dubai, von wo es weiter nach Düsseldorf und Berlin ging. „Ich bin sehr froh, wieder hier zu sein“, sagte Claudia Ahrens am gestrigen Dienstag. „Endlich habe ich mal wieder eine Nacht durchgeschlafen. Das war sehr schön.“
Die beiden Potsdamer Männer waren indes im Süden Japans, in der Stadt Tenri, untergebracht. Auch sie wollten sich zwei Wochen lang im Mutterland des Judosports auf die Europameisterschaften in der Türkei vorbereiten, bekamen von der Jahrhundertkatastrophe allerdings nicht viel mit. „Es gab plötzlich nur sehr viel Regen und sehr starken Wind“, erzählt Robert Kopiske. „Als sich die Lage am Samstag nach der ersten Explosion im Atomkraftwerk jedoch schlagartig verschärfte, haben wir uns doch ernsthafte Gedanken gemacht. Schließlich sollten wir die zweite Woche des Trainingslagers ja in Tokio verbringen.“ Zusammen mit Bundestrainer Detlef Ultsch wurde über den sofortigen Abflug entschieden: Von Osaka aus ging es über Südkoreas Hauptstadt Seoul, wo das Team erst nach fast zehn Stunden weiterfliegen konnte, nach Frankfurt/Main. Gestern in aller Frühe landete der Flieger in Berlin.
Ebenso wie sein Vereinsgefährte Robert Kopiske hatte auch Potsdams Schwergewicht Robert Zimmermann von Beben, Tsunami und AKW-Horror nur aus den Nachrichten erfahren. „Das war alles für uns nicht greifbar“, denkt der 23-Jährige zurück. „All dieses Leid – das wünscht man keinem Land. Die müssen jetzt dort bleiben, und wir konnten weg. Mein Kopf wird noch lange nicht frei sein.“
Aber auch daran wollen und müssen Zimmermann & Co. arbeiten. Während Claudia Ahrens die Vorbereitung auf die EM mit dem Nationalteam in Bad Blankenburg fortsetzt, werden sich die Männer in Berlin stählen. „Doch zuerst“, so Robert Zimmermann gestern, „wird sehr, sehr lange geschlafen.“
Henner Mallwitz
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