Scholle 34: Kult-Location in Potsdam: Endlich wieder Disko
Studenten entwickelten große Pläne für die neue „Scholle 34“. Jetzt muss schnell die Förderung zur Sanierung und zum Umbau des maroden Gebäudes geklärt werden.
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Potsdam-West - Laubengänge, Aussichtstürme, Glas, Stahl und Beton, Licht und Luft und viel Grün – die Architekturstudenten der Hochschule München können sich für das künftige Nachbarschaftszentrum Scholle 34 in Potsdam-West viel Schönes und vor allem viel Moderne vorstellen. Am Dienstagabend wurden insgesamt acht Entwürfe bei einer öffentlichen Veranstaltung vor Ort präsentiert, Bauzeichnungen, Visualisierungen und Modellhäuschen. Ein Schauplatz der Möglichkeiten – von dem vermutlich nur wenig übrig bleiben wird, wenn es demnächst um die Umsetzung des Bauvorhabens geht.
„Wir dürfen eigentlich nur mit der vorhandenen Bausubstanz arbeiten“, sagte Annette Paul, Geschäftsführerin des Stadtteilnetzwerks Potsdam-West, den PNN. „Sobald etwas abgerissen wird, wird es Parkgelände.“ Die rechtliche Situation sei leider so. Man freue sich trotzdem über die studentischen Arbeiten als Anregung für die nun beginnende Diskussion und den Planungsprozess.
Scholle 34: Betreten nur unter besonderen Vorkehrungen
Alles begann 2014, als das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West die Ruine Geschwister-Scholl-Straße 34 übernehmen durfte. Kurz darauf wurde mit der Schlösserstiftung ein Nutzungsvertrag geschlossen. Zeitgleich bekundete die Stadt Potsdam ihre Unterstützung für ein neues Nachbarschaftshaus in Trägerschaft des Stadtteilnetzwerks. Jahrelang hatte das Areal leer gestanden. Zu DDR-Zeiten standen hier eine Gaststätte für Touristen und Schülerspeisung sowie ein angegliederter Tanzsaal. Nach der Wende zog eine Trattoria ein, der Tanzsaal wurde Disco Charly. Dann war eines Tages Schluss, die einstige Vorzeige-DDR-Moderne am Rande des Schlösserparks verrottete langsam.
Die Netzwerker aus West aber brauchen Platz und sehen den Bedarf. Hier sollen Beratungs- und Veranstaltungsräume entstehen, Werkstätten, Räume für Workshops oder Versammlungen, Gastronomie und ein großer Nachbarschaftsgarten. Den gibt es bereits, die Garten-Initiative hat einen großen Teil des Geländes zum Blühen gebracht, hier wachsen Blumen und Gemüse. Der Außenbereich ist, bis auf eine kleine Werkstatt, auch der einzige Spielraum, den es bisher gibt. Denn die Gebäude sind allesamt in einem so schlechten Zustand, dass sie nicht oder nur unter besonderen Vorkehrungen betreten werden dürfen. So musste jeder, der am Dienstag die Arbeiten der Studenten sehen wollte, unterschreiben, dies auf eigene Gefahr zu tun.
Wird in der Scholle 34 bald wieder getanzt?
Im Anschluss an die Besichtigung fand eine Diskussion mit Podiumsgästen und Anwohnern statt. Grünen-Stadtverordnete und Kustodin der Schlösserstiftung, Saskia Hüneke, erinnerte sich, dass auch damals in den 1960er-Jahren die „Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci“ sich für eine öffentliche Nutzung des Geländes stark gemacht hatten. Kunsthistoriker und Kulturlobby-Sprecher André Tomczak nutzte die Gelegenheit, noch einmal auf die Wichtigkeit solcher Freiräume hinzuweisen. Und insbesondere die älteren Anwohner wünschten sich, bald wieder in den Räumen so wie früher tanzen zu können. Erst vor kurzem hatte sich die Stadt bereit erklärt, einen Eigenanteil von etwa 250 000 Euro für die Sanierung zu tragen, sofern der Rest der geschätzten 2,5 Millionen Euro über Fördergelder gedeckt wird. Mit 100 000 Euro hat die Stadt bereits die Konzeptentwicklung für den neuen Treffpunkt unterstützt. Nun kann es losgehen.
Es muss sogar losgehen. „Seit zwei Tagen gibt es ein neues Förderprogramm vom Bund. Da würden wir gut reinpassen“, sagte Paul. „Die Bewerbungsfrist endet allerdings Ende August. Das wird knapp“. Die Ideen der Münchner Studenten sind also erst der Anfang. Die Studenten allerdings hatten sich mit Begeisterung in das Projekt gestürzt. Das Spannungsfeld von Ost-Moderne und preußischem Erbe sei etwas, mit dem man sich auseinandersetzen muss, sagte Professorin Ursula Hartig, die aus Potsdam stammt und jetzt in München unterrichtet. Das Thema der Studienarbeit war ihre Idee gewesen. Ihre Master-Studenten hatten sich im März Gelände und Umfeld gründlich angeschaut und dann ihre Entwürfe entwickelt. Einzige architektonische Auflage war gewesen, den Pavillon mit seinen markanten Stahlträgern, den Pylonen, stehenzulassen.
Für den Förderantrag drängt die Zeit
Zurzeit ist von der einstigen modernen Pracht, der Leichtigkeit des gläsernen Flachbaus, wenig zu sehen, die Scheiben sind längst raus, die Wände zugenagelt. Die Pylonen stehen noch, aber wer hier vorbeifährt, nimmt sie kaum wahr. Manche der Studenten wollen den Pavillon, der jetzt mit dem Rest der Häuser verbunden ist, frei stellen, manche sogar alle Wände entfernen.
Der Pavillon sei unbedingt erhaltungswürdig, sagte Hüneke. Zur Problematik, dass grundsätzlich nichts abgerissen und verändert werde dürfe, antwortete sie ausweichend: Man solle dennoch modern denken und etwas wagen. „Das hat uns ermutigt“, sagte Annette Paul nach der Diskussion. Es könnte allerdings knapp werden, für den Förderantrag bis Ende August Baupläne fertigzubekommen. Man werde notfalls trotzdem einen Antrag stellen und 2018 erneuern, so Paul.
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