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Lagerfeuer geht auch vormittags. Am letzten Schultag vor den Winterferien feiern Oberlinschüler ein Fest. Auf dem Schulhof gibt es Musik und an der Feuerschale ist es warm.

© Oberlinschule

Oberlinschule Potsdam: Endlich wieder zur Schule gehen

Oberlinkinder sammelten Geld für Maurice, der eine Krebstherapie braucht, und Kholoud aus Syrien. Beim Winterfest wurde aber auch gefeiert.

Oberliner frieren nicht. Jedenfalls nicht, wenn die Sonne scheint, es gleich Zeugnisse gibt und die Ferien beginnen. Zur Not kann man sich beim Winterfest auf dem Schulhof an einer Feuerschale aufwärmen. Das kleine Fest als Abschluss des ersten Halbjahrs hat Tradition, dann gibt es Livemusik, Eierkuchen und heiße Getränke.

Wichtigster Programmpunkt am gestrigen Freitag: Die Übergabe von Spenden an zwei kleine Empfänger. Bei den Weihnachtsmärkten haben die Schüler dieses Mal gut verkauft, Selbstgebasteltes aus dem Wirtschaft-Arbeit-Technik- und dem Werkunterricht, insgesamt kamen 900 Euro zusammen. Es ist auch Tradition, dass die Schüler mitentscheiden, wer das Geld bekommt. In diesem Jahr sind das Kholoud Arafeh und Maurice Wegner.

Kholoud kam im Dezember 2015 aus Syrien nach Potsdam, mit ihrer Familie. Seit zwei Monaten besucht das sechsjährige Mädchen, das einen Rollstuhl braucht, eine erste Klasse der Oberlinschule. In der modernen, barrierefreien Schule lernen Kinder mit den verschiedensten geistigen oder körperlichen Behinderungen und Förderbedarfen zusammen in kleinen Klassen. Hier kann man seinen Schulabschluss auch machen, wenn man im Rolli sitzt und wie Kholoud noch ein paar andere Startschwierigkeiten hat. Kholoud wird jeden Tag vom Fahrdienst aus dem Flüchtlingsheim in der Grotrianstraße abgeholt. In der Schule fühlte sie sich von Anfang an wohl. „Sie hat jeden Tag ein Strahlen im Gesicht“, sagt Ina Doss, stellvertretende Schulleiterin. Als die Mitschüler hörten, wie schwierig die Flucht war und dass die Familie, die noch immer eine eigene Wohnung sucht, nur Geld für das Nötigste hat, wollten sie helfen. Kholoud und ihre Familie sollen sich auch mal einen Wunsch erfüllen können.

Maurice Wegner hat auch einen Wunsch. Er möchte erst mal so weit gesund werden, dass er überhaupt wieder in eine Schule gehen kann. Im Herbst vergangenen Jahres wurde bei dem Zwölfjährigen Krebs entdeckt, ein Hirntumor. Zunächst hatten Lehrer und Ärzte an eine motorische Entwicklungsstörung gedacht, weshalb er auf die Oberlinschule wechseln sollte. „Aber wir dachten uns, da muss noch was anderes sein“, sagt Ina Doss. Seit der Diagnose bekommt der Junge Bestrahlung, was das Tumorwachstum zwar hemmt, aber keine Heilung bringt. Die versprechen sich die Eltern von einer besonderen Therapieform, die in Deutschland noch nicht zugelassen ist. In den USA werden damit bereits Kinder behandelt. Das wollen die Wegners jetzt versuchen. Über eine großangelegte Spendenaktion und auch mit der kleinen Hilfe der Oberlinschüler haben sie mittlerweile das Geld für die Behandlung in den USA zusammen und warten jetzt auf einen Platz in der Klinik. Im Februar könnte es so weit sein, sagt Vater Maik Wegner. Der Polizist kann mittlerweile genau erklären, was dann passiert. Es werde ein Zugang direkt in die betroffene Hirnregion gelegt, damit die Chemo jenseits der Blut-Hirnschranke wirken kann. Nach der OP kann Maurice nach Hause, muss aber monatlich wieder zu Untersuchungen in die USA. Wenn alles klappt, könnte Maurice vielleicht im September in eine sechste Oberlinklasse einsteigen.

Maurice ist zurzeit linksseitig gelähmt, auch er braucht einen Rollstuhl. Aber er kann sprechen und lernen und langweilt sich sehr in diesen Monaten, wo er vor lauter Therapie- und Arztterminen nicht zur Schule gehen kann. Beim Winterfest besucht er deshalb kurz seine künftigen Mitschüler im Klassenraum. Er hat schon Kontakte geknüpft und am liebsten würde er einmal in der Woche für zwei Stunden als Gastschüler kommen. „Wir schauen mal, ob wir das hinbekommen“, sagt seine Mutter Katrin.

Vieles wäre einfacher, wenn sie endlich ihr Haus in Mahlow verkaufen und nach Potsdam ziehen könnten. Aber ein Haus dicht neben der Südbahn vom Flughafen Schönefeld will derzeit keiner. Hier donnern mehr und mehr Flieger drüber und wenn der BER erst mal in Betrieb ist, wird es noch voller am Himmel über Mahlow. Als Katrin und Maik Wegner 2001 hier bauten, war das nicht abzusehen. Der Fluglärm ist allerdings nicht ihr größtes Problem. Sie vermuten, dass vor allem der Ultrafeinstaub vom Kerosin krank macht. „Der Siff, der da runterkommt, ist gefährlich“, sagt Maik Wegner. „Aber wie soll man das beweisen?“ Sein einziges Kind ist schwer krank, auch bei seiner Frau wurde kürzlich Krebs festgestellt, ein Nachbar hat Leukämie. Der erste Familienhund der Wegners starb an Krebs, der zweite auch. Was im Garten wächst, trauen sie sich nicht zu essen. Nur 50 Meter weiter beginnt das Gebiet, für das Eigentümer Entschädigungen bekommen können. Als Maik Wegner davon erzählt, kommen ihm Tränen und er hält sich am Rolli seines Sohnes fest. Der Tag in der Oberlinschule gibt ein Fitzelchen Hoffung. Sie werden jetzt viel Englisch üben, als Vorbereitung auf die Zeit in den USA, sagt der Vater und Maurice nickt. „Alles Gute, wir sehen uns nach der Reise“, sagt Schulleiter Uwe Plenzke zum Abschied.

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