
© M. Thomas
Landeshauptstadt: Entschieden unentschieden
Die Stadtverordneten enthielten sich – jetzt soll statt des Bürgerentscheids neu diskutiert werden
Stand:
Die Gäste im Plenarsaal waren unzufrieden. Während sich vorn viele Arme mit roten Abstimmungskarten in die Höhe reckten, wuchs hinten der Unmut. „Das ist peinlich“, entfuhr es einem. Sein Sitznachbar stimmte zu: „Schildbürger.“ Ein Dritter sagte bloß: „Die Linke hat es versaut.“ Alle drei gehörten zu den Gegnern eines Wiederaufbaus der Garnisonkirche, für sie war die gestrige Entscheidung des Stadtparlaments wenig erfreulich.
Es war dennoch eine denkwürdige Sitzung am Mittwochabend, sie erinnerte an frühere Debatten des Parlaments zu den großen Potsdamer Themen wie dem Wiederaufbau des Stadtschlosses. Schnell zeichnete sich ab, dass Positionen und Ergebnis schon feststehen: Die Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und Potsdamer Demokraten würden das Bürgerbegehren mittels Enthaltung ins Leere laufen lassen. So sagte SPD-Chef Mike Schubert, die für das Begehren gestellte Frage sei nicht zielführend. Sie lautete: „Sind Sie dafür, dass die Stadt alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten nutzt, um auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche hinzuwirken?“ Schubert sagte, diese Frage könne seine Partei weder ablehnen noch ihr zustimmen. Jedoch entbinde das die Stadt nicht von einer nötigen und vernünftigen Debatte zur Zukunft des Kirchenprojekts – nur fände sich dies alles nicht im Text des Bürgerbegehrens wieder.
Auch CDU-Fraktionschef Matthias Finken und Grünen-Bauexpertin Saskia Hüneke kündigten ihre Enthaltung an. Hüneke plädierte für einen wissenschaftlich begleiteten Diskurs zu dem Projekt – das sei besser als Symbolpolitik . So müsse es ein Werkstattverfahren geben, wie sich die historischen Brüche der Kirchengeschichte auch an der Fassade abbilden ließen – etwa durch den Verzicht auf Teile des Skulpturenschmucks. „Darüber lohnt es sich zu reden“, so Hüneke. Finken wiederum kritisierte, die Gegner der Kirche hätten sich bei dem Bürgerbegehren zweifelhafter Methoden bedient – die Folge waren einzelne verärgerte Zwischenrufe der Aktivisten im Saal. Doch Finken ließ sich nicht beirren: So habe es in Potsdam immer eine politische Mehrheit für den Wiederaufbau gegeben – auch bei der Kommunalwahl hätten die Parteien der Befürworter gewonnen. Gleichwohl erwarte er von der Stiftung, ihr Projekt besser zu erklären, sagte der CDU-Mann.
Insofern waren die Fronten klar. Denn die Linke blieb bei ihrer bisherigen Linie: Man werde für das Bürgerbegehren stimmen, sagte Fraktionsvizechefin Karin Schröter – der Vorsitzende Hans-Jürgen Scharfenberg weilte im Urlaub. Für ihre Partei sei speziell die Zusage des Bundes aus dem vergangenen Sommer, zwölf Millionen Euro für den Kirchenbau ausgeben zu wollen, ein Weckruf gewesen: „Und es war ein Anlass die Dinge nicht mehr zu tolerieren.“ Auch nach dem Bürgerbegehren sei die Diskussion noch lange nicht zu Ende, sagte Schröter.
Dagegen kündigte Lutz Boede von der linksalternativen Wählergruppe Die Andere – einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens – an, gegen das Begehren zu stimmen. Der Rathauskooperation, die sich stets gegen das Begehren ausgesprochen habe, warf Boede vor, das Plebiszit durch Tricksereien abwürgen zu wollen, und zwar aus Angst vor der Bevölkerung.
Kurz vor der Abstimmung beantragte Die Andere noch eine fünfzehnminütige Pause. Gemeinsam mit der Linken-Fraktion stellten sich die drei Andere-Stadtverordneten vor den Eingang des Stadtparlaments und versuchten dort, die Linken zu überzeugen, gegen das Bürgerbegehren zu stimmen. Doch es nützte nichts – nach der Pause folgte kurz vor 19 Uhr die Abstimmung. Zunächst meldeten die Linken sich bei Ja, die Andere bei Nein. Neben der Rathauskooperation enthielten sich auch die beiden weiteren Fraktionen, also das Bürgerbündnis und die Alternative für Deutschland.
Doch darauf waren alle vorbereitet. Lutz Boede verteilte eine Presseerklärung, wonach die Annahme des Bürgerbegehrens nur eine Verhinderungsstrategie sei. Und die Stadtverwaltung schickte schon wenige Minuten nach 19 Uhr eine umfangreiche Presseerklärung zum Ergebnis. Den Stadtverordneten wünschte Linke-Stadtpräsidentin Birgit Müller zum Schluss der Sondersitzung einen „schönen Sommer“. Die Gegner der Garnisonkirche verließen derweil kopfschüttelnd den Plenarsaal.
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