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Landeshauptstadt: „Enttäuschend“, ein „Armutszeugnis“

Potsdamer über den Ausgang der Wahl und ihr Entsetzen über die geringe Wahlbeteiligung

Stand:

Wahlverdruss oder Angst vor der politischen Kaste? Auch am Tag nach der Oberbürgermeisterwahl mit einer desaströsen Beteiligung von nur 45 Prozent, fanden sich nur wenige Potsdamer, die das Ergebnis vom Sonntagabend kommentieren mochten – ob auf der Straße oder in Büros.

Die wenigen, die sich äußerten, zeigten sich vor allem erschüttert über die niedrige Wahlbeteiligung. Der in Potsdam wohnende Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann bewertete den fehlenden Zuspruch zur Wahl als „total enttäuschend“. Vor 21 Jahren sei es doch die Wut über die gefälschte Kommunalwahl in der DDR gewesen, die bis zum Fall der Mauer geführt habe. „Deshalb hat der dritte Oktober, an dem die Stichwahl sein wird, etwas Symbolhaftes“, so Diekmann. „Ich hoffe und wünsche, dass sich die Potsdamer erinnern, dass sie das wertvolle Recht, frei und geheim wählen zu dürfen, dass sich die DDR-Bürger erkämpft haben, auch nutzen.“

Auch die Potsdamer Moderatorin und Autorin Tatjana Meissner war „traurig, dass so wenige zur Wahl gegangen sind.“ Das Ergebnis einer Stichwahl sei ihr aber schon vorher klar gewesen. Mit Erwartungen an den künftigen Oberbürgermeister hält sich Meissner zurück, „seitdem mich die Bundespolitik enttäuscht hat.“ Doch sie glaubt, dass Jakobs wegen seiner achtjährigen Amts-Erfahrung seinen Kurs „kontinuierlich fortführen wird“. Scharfenberg hingegen müsste „sich erst einarbeiten“. Und aufgrund der finanziellen Zwänge der Stadt „dürfte er wohl nicht viel anders machen können“, glaubt Meissner.

Wie für Meissner war auch für den Manager des Stern-Centers, Stephan Raml, das Stichwahl-Ergebnis der erwartete Ausgang des Wahlsonntags: „Die bevorstehende Stichwahl zwischen Herrn Jakobs und Herrn Scharfenberg kommt angesichts des Wahlausgangs 2002 sowie der zahlreichen Bewerber für das Amt nicht allzu überraschend“, sagte der Manager des Stern-Centers. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es das Ziel einer künftigen Stadtpolitik – „egal in welcher Konstellation“, bleibe, Interessen des Handels zu berücksichtigen und bestehende, wichtige Einkaufsstandorte in der gesamten Stadt zu stärken. Der Organisator der Potsdamer Bachtage und Kantor der St. Nikolai-Gemeinde, Björn O. Wiede, bedauerte, dass die bürgerlichen Parteien es nicht vermocht haben, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Das schlechte Abschneiden der Kandidaten von FDP und CDU sei ein Zeichen für die Erkenntnis der Wähler, dass die bürgerlichen Kandidaten keine Chance bei der Wahl hatten“, bedauerte Wiede. Bemerkenswert hielt es der Kantor, der auch auf Anti-Stasi-Demonstrationen aufgetreten ist, „dass noch immer ein Drittel der Wähler einem SED- Kandidaten ihre Stimme geben“.

Die Vorsitzende des Potsdamer Selbsthilfezentrums Sekiz, Angelika Tornow, schrieb Potsdam ein „Armutszeugnis“ wegen der geringen Wahlbeteiligung aus. „Ich hoffe, die Menschen machen sich nun wenigsten zur Stichwahl am dritten Oktober auf die Socken.“ Allerdings fehlte Tornow auch die Polarisierung bei den Kandidaten. „Deren Forderungen haben sich kaum unterschieden“, kritisierte sie. Der Stadt fehle eine starke Opposition. Nur Andere- Kandidat Benjamin Bauer sei ihr aufgefallen, „schön, dass sein Engagement mit vier Prozent Zustimmung honoriert wurde“, so Tornow. KG

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