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Landeshauptstadt: Erfolgserlebnisse backen

„Das Rad“ – drogenfreier Treff für Menschen, die sich an Wochenenden allein fühlen

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„Das Rad“ – drogenfreier Treff für Menschen, die sich an Wochenenden allein fühlen Von Nicola Klusemann Wer bei Wolfgang Seefeld zum Kuchen eingeladen ist, muss den erst mal selbst backen. Der Initiator des alkohol-, drogen- und rauchfreien Wochenend-Treffs „Das Rad“ möchte Menschen bewegen. „Natürlich kann man auch zugucken“, so Seefeld. Schließlich will er niemanden verprellen. Der seit über drei Jahren nüchterne Alkoholkranke hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Er kommt aus einer zerrütteten Familie in Kreuzberg: der Vater Alkoholiker und gewalttätig gegen die Mutter, Wolfgang Seefeld ist das älteste von fünf Kindern. Früh flieht er, bezieht eine Wohnung mit seiner damaligen Freundin, hält sich mit Hilfsjobs über Wasser, kifft und spricht dem Alkohol kräftig zu. Seine beiden Kinder werden geboren, ein verantwortungsvolles Familienleben zu führen, gelingt ihm nicht. Immer wieder verspricht er, pünktlich zu Hause zu sein, versackt dann aber doch mit Kumpels in der Kneipe. Schließlich trennt sich seine Frau von ihm und er sich von seinem alten Leben. Wolfgang Seefeld entzieht und begibt sich in stationäre Therapie. Die strengen Regeln tun ihm gut. „Endlich hatte ich wieder einen klaren Kopf, konnte klar denken.“ Er verstand seine Krankheit als Chance für Veränderung. Er fand sich im Geiste an einem Tisch mit anderen Menschen, in der Mitte ein Würfel. „Ich musste lernen, dass, wenn ich sechs Augen auf dem Würfel sah, dies für mein Gegenüber nicht gelten musste.“ So begriff er, die individuellen Sichten auf die Dinge zu akzeptieren. Dabei half ihm auch das indianische Medizinrad mit seinen vier Himmelsrichtungen, das im Drehen den Jahreszyklus beschreibt. „Die Indianer leben im Jetzt, halten jede Sekunde fest.“ Wolfgang Seefeld erkannte, dass das Verharren in der Vergangenheit für ihn eben so schädlich sein konnte wie weit gesteckte Ziele in die Zukunft. Jeder trockene Tag ein Gewinn, ein Erfolg. Seine eigene Veränderung passierte – wenn auch langsam – kontinuierlich. „Sie geschieht aber eben auch nur, wenn man etwas tut.“ Das Aufraffen fällt besonders an Wochenenden schwer, ist eine Erkenntnis aus der Potsdamer Selbsthilfegruppe „Der neue Weg“. Vier aus der Gruppe beschlossen deshalb, einen Treffpunkt an Sonnabenden und Sonntagen zu installieren. „Das Rad“ heißt er in Analogie zu der Weisheit der Sioux: „Jede Geschichte und jede Situation sollte aus vier verschiedenen Richtungen betrachtet und beurteilt werden.“ Der Treff solle einen Weg aus der Sucht und der Isolation sein. Über Gespräche hinaus wünscht sich Seefeld vor allem das gemeinsame Planen von Aktionen. Im Selbsthilfezentrum Sekiz gebe es viele Möglichkeiten. Der leidenschaftliche Koch würde gerne mit den anderen kochen oder backen. Spielen und Musizieren seien ebenso geplant wie Theater- und Kinobesuche, Radtouren und Wanderungen. „Wenn man frisch aus der Therapie kommt oder schon lange alleine zu Hause hockt, ist das Selbstbewusstsein meist im Keller.“ Seefeld spricht aus eigener Erfahrung. Gemeinsame Aktivitäten aber führten zu Erfolgserlebnissen und stärkten das Selbstvertrauen. Sein persönliches Ziel ist eine eigene drogenfreie Kneipe – ein Griff in die Zukunft, den Wolfgang Seefeld wagt. Treffpunkt „Das Rad“ samstags von 14 bis 23 Uhr und sonntags von 14 bis 22 Uhr im Sekiz, Hermann-Elflein-Straße 11. Tel.: (0331) 6200280.

Nicola Klusemann

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