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Homepage: Erheblicher Abfluss nach Berlin

Eine Master-Arbeit der Uni beschäftigt sich mit der Wirtschaftskraft der Potsdamer Wissenschaft

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Wenn Potsdam die höchste Wissenschaftler-Rate Deutschlands hat, dann müsste es doch interessant sein, wie groß der wirtschaftliche Nutzen davon für die Stadt ist. Dieser Frage ging Susanne Knappe in ihrer Abschlussarbeit im Studiengang Regionalwissenschaften der Universität Potsdam nach. Ihre Arbeit ist nicht nur bemerkenswert, weil sie die erste Master-Arbeit in diesem Studiengang an der Uni vorlegte, die dann auch gleich mit einer 1,0 benotet wurde. Interessant sind vor allem auch die Ergebnisse ihrer Forschungsfragen.

In der umfassenden Studie arbeitete die Absolventin mit aufwändigen Recherchen und zahlreichen Befragungen heraus, wohin die Geldströme von der Uni, den Instituten, ihren Mitarbeitern und der Studierenden der Potsdamer Region fließen, welche Beschäftigungs- und Einkommenseffekte entstehen und welche Transferleistung die Wissenschaft für die hiesige Wirtschaft erbringt. 17 der 22 außeruniversitären Institute Potsdams, die Universität und das Studentenwerk wurden von der Studentin in die Untersuchung einbezogen. Rund 4700 Mitarbeiter und an die 18000 Studierende waren demnach im Fokus des Interesses. Die tatsächliche Zahl der Wissenschaftler liegt noch höher, denn nicht alle Institute wollten an der Untersuchung teilnehmen.

Ihre Annahme, dass ein erheblicher Teil der Ausgaben der wissenschaftlichen Einrichtungen wie auch der Konsumausgaben von Studierenden und Mitarbeitern nach Berlin fließen, sieht Susanne Knappe durch ihre Studie bestätigt. Von den 70,7 Millionen Euro, die von der Potsdamer Wissenschaft jährlich ausgegeben werden, verbleiben nur 16,4 Millionen Euro in Potsdam (23,2 Prozent). Der größte Teil der Sach- und Investitionsmittel fließt in andere Regionen Deutschlands (39,8 Prozent), immerhin 32,1 Prozent der Aufwendungen versickern in Berlin, nur rund fünf Prozent landen im Potsdamer Umland. Gemessen an anderen Regionen verbleibt in Potsdam recht wenig. Eine Erklärung hat Susanne Knappe dafür auch. Einerseits sind ähnliche Untersuchungen meist in wesentlich größeren Regionen (München, Frankfurt/Main, mit Landkreisen) vorgenommen worden, zum anderen ist eben die Nähe zu Berlin ein besonderes Spezifikum von Potsdam.

Bei den Konsumausgaben sind interessanterweise die Studierenden der Potsdamer Uni mit rund 104 Millionen Euro im Jahr ein weitaus größerer Wirtschaftsfaktor als die Professoren und Mitarbeiter von Uni und Instituten zusammen (69,1 Millionen Euro). Auch hier hat die Regionalwissenschaftlerin einen deutlichen Abfluss nach Berlin festgestellt. Von den Studenten bleibt immerhin etwa die Hälfte der Ausgaben in Potsdam (52,7 Millionen Euro), nach Berlin gehen 40,5 Millionen Euro (38,9 Prozent). In Potsdam leben 57,4 Prozent der Uni-Studenten, in Berlin 31,4 Prozent von ihnen, dennoch bleiben sogar 38,9 Prozent der Ausgaben der Studierenden in der Hauptstadt. „Viele Potsdamer Studenten fahren zum Kneipenbesuch, Kultur-Event oder Einkauf nach Berlin“, so Knappes Erklärung. Die Abwanderungstendenz der Kaufkraft bewertet sie als „augenfällig“, vor allem in den Bereichen Kleidung und Freizeit. „Die Tendenz ist erkennbar, extrem ist sie allerdings nicht“, fasst Knappe zusammen.

Von den Beschäftigten der Potsdamer Wissenschaft verbleibt mit 40,4 Prozent der jährlich verausgabten 69,1 Millionen Euro weniger Geld in der Stadt, als von den Studierenden (50,7 Prozent). Immerhin knapp 17 Prozent geben die Beschäftigten im Potsdam Umland, 35 Prozent in Berlin aus. Die restlichen acht Prozent verteilen sich außerhalb der Region.

Susanne Knappe hat sich auch die Beschäftigungs- und Einkommenseffekte der Einrichtungen angeschaut. Ausgehend von 4700 direkten Arbeitsplätzen kam sie auf insgesamt 2189 Arbeitsplätze, die sich durch die Ausgaben des Wissenschaftssektors ergeben. Die stärksten Effekte würden sich bei Dienstleistung und Handel ergeben. Insgesamt entstehen nach der Untersuchung jährlich 87,8 Millionen Euro Einkommen, sowohl durch die direkten Einkommen der Wissenschaftler als auch durch die indirekt dadurch entstehenden Löhne – etwa bei Frisören, Bäckereien etc. – sowie durch „induzierten Effekte“, die sich wiederum durch die Wiederverausgabung der entstandenen Einkommen ergeben. Alles in allem kommt die Regionalforscherin auf 6889 Arbeitsplätze, die auf die untersuchten Einrichtungen zurückzuführen sind.

Beim Transfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft konnte Susanne Knappe feststellen, dass hier die überregionalen Partner dominieren. Nur 3,9 Prozent der Unternehmen, die mit den Instituten und Hochschulen kooperieren, stammen aus Potsdam. Aus Berlin wie auch aus dem Umland sind es jeweils knapp neun Prozent, aus dem übrigen Deutschland 32,7 Prozent und aus dem Ausland 34, 8 Prozent. Die Universität tätigt 65 Prozent ihrer Kooperationen in Berlin-Brandenburg, bei den außeruniversitären Instituten sind es nur 28,3 Prozent. „Die regionalen Unternehmen ziehen bisher offenbar nur wenig Nutzen aus der hiesigen Wissenschaft“, lautet Knappes Fazit. Der Grund dafür liege neben der durch das Forschungsprofil bedingten internationalen Ausrichtung der Institute vor allem auch in der kleinteiligen Unternehmensstruktur in der Region. Neunzig Prozent der Potsdamer Firmen seien Kleinstunternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern. „Die haben oftmals keine Kapazitäten für Kooperationen“, schätzt die Absolventin. Dennoch sieht sie in Potsdam eine gute Grundlage für zukünftige Transfers: „Insgesamt ergibt sich für die Wissenschaftslandschaft in Potsdam hinsichtlich der leistungsfähigen Forschungsinfrastruktur und dichten Wissenschaftsnetzwerke ein positives Bild.“

Als Ergebnis ihrer Untersuchung hat Susanne Knappe gleich ein ganzes Bündel an Empfehlungen für die Landesregierung. Demnach sollten die Finanzierungsinstrumente für den Transfer weiter ausgebaut und die Unternehmen über bestehende Förderprogramme informiert werden. Firmen sollten angesiedelt werden, die Synergien mit den Forschungszentren versprechen, die Transferstellen der Hochschulen seien personell zu stärken und mehr wissenschaftliches Personal der Unis müsste zeitweise für Transfer-Projekte von der Lehrtätigkeit befreit werden.

Die Studie zur Regionalwirksamkeit der Wissenschaftseinrichtungen in Potsdam von Susanne Knappe soll in der Schriftenreihe „Praxis Kultur- und Sozialgeographie“ veröffentlicht werden.

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