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Landeshauptstadt: Erikas Berichte

Leben mit der Mauer – Klein-Glienicke ab 1961

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Wo auch immer in Klein-Glienicke Westsender gehört, Westpakete empfangen oder gar „hetzerische Reden“ geschwungen wurden, Putzfrau „Erika“ war dabei. Viel geputzt kann sie nicht haben, denn sie brachte als Informelle Mitarbeiterin (IM) der Staatssicherheit all diese Verfehlungen der Bewohner des im Grenzgebiet liegenden Ortsteils zu Papier.

Eine dicke Mappe solcher IM-Berichte ist in der Ausstellung „Leben mit der Mauer - das Grenzgebiet Klein-Glienicke“ zu sehen, die gestern durch die Leiterin der Potsdamer Stasi-Unterlagenbehörde, Gisela Rüdiger, im Lokal „Bürgershof“ eröffnet wurde. Die Idee dazu hatte ihre Mitarbeiterin Hannelore Strehlow. Bei der Arbeit an ihrem Buch „Der gefährliche Weg in die Freiheit“ stieß sie auf zahlreiche Fluchtversuche, die von Klein-Glienicke ausgingen.

Beispielsweise nutzten zwei Dachdecker am 7. Mai 1965 Reparaturen am Pfarrhausdach zum Sprung in die Freiheit. Ein Dritter blieb und wurde dafür vom berüchtigten „roten Freisler“ Oberrichter Wohlgetan mit zwei Jahren Zuchthaus „belohnt“. Am 15.11.1968 erschoss der Polizist Horst Köhler beim Fluchtversuch den Gefreiten Rolf Henninger und wurde anschließend selbst getötet. In der Nacht zum 26. Juli 1973 fand ein Ehepaar mit Erfurter Bekannten durch einen mit Spaten und Kinderschaufel gegrabenen Tunnel den Weg in den Westen.

Die Stasi wusste, dass Klein-Glienicke vergleichsweise günstige Möglichkeiten für eine Flucht bot. Sie fertigte eine Bilddokumentation an, die als Ausgangspunkt dafür mehr als 20 leer stehende Gebäude und zugewucherte Grundstücke zeigt. Als Gegenmaßnahmen sollten zusätzliche Kontroll- und Streifengänge, vorbeugende Tätigkeit und pioniertechnischer Ausbau der Grenzanlagen „subversive Elemente“ stoppen.

Zur Ausstellungseröffnung kamen auch Zeitzeugen, darunter das Tierarztehepaar Dr. Ilse und Dr. Michael Worseck, das von seinem Grundstück vertrieben worden war, nach der Wende aber wieder zurückgezogen ist. Besucher regten an, noch stärker auf das Alltagsleben der Klein-Glienicker und auch auf die Zeit vor dem Mauerbau 1961 einzugehen. Gisela Rüdiger und der Bürgerverein des Ortsteils nahmen diese Anregung mit. Die Ausstellung ist bis 31. Mai zu den Öffnungszeiten der Gaststätte zu besichtigen. E. Hoh

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