
© Andreas Klaer
Baumfällungen in Potsdam: Erst Kahlschlag, dann Allee
Mit der Semmelweisstraße wird eine der letzten Straßen in Babelsberg saniert.
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Babelsberg - Vier Robinien, drei Mehlbeeren, zwei Winterlinden, zwei Ebereschen und ein Bergahorn – am heutigen Dienstag sollen sie fallen. Um die Sanierung der Semmelweisstraße vorzubereiten, werden in Babelsberg insgesamt zwölf Bäume gefällt. In der ganzen Straße bleibt nur ein Baum aus dem Bestand stehen, so sieht es es die Planung des zuständigen Sanierungsträgers Stadtkontor vor. Seit Freitag weisen Halteverbotsschilder auf den bevorstehenden Kahlschlag hin.
Für Anwohner Bodo Splisteser ein Schock: „Plötzlich standen die Schilder da“, sagt er. Eine Information über die Fällungen hatte er nicht im Briefkasten gehabt und war dementsprechend überrascht. Er stellt den Nutzen der Baumfällungen generell infrage. „Man sollte immer so sparsam wie möglich Bäume fällen“, sagt der 50-Jährige, wenn es denn schon sein müsse. Dass die Bäume für die Straßensanierung und neue Parktaschen am Straßenrand weichen sollen, leuchtet ihm nicht ein: „Wenn es nachher weniger Parkplätze als vorher gibt, könnten die doch zwischen den Bäumen untergebracht werden“, so Splisteser.
Die Semmelweisstraße ist eine der letzten im Sanierungsgebiet Babelsberg, die noch nicht erneuert sind. Die mit großen Steinen gepflasterte Fahrbahn wölbt sich in der Mitte und fällt zu den Seiten ab. Bei Schnee und Eis rutschten bisher einige Autos an den Rand und kamen nicht mehr vom Fleck. Auch der Gehweg ist uneben: Das Mosaikpflaster schlägt Wellen, Baumwurzeln drücken die kleinen Pflastersteine nach oben.
Für viele Anwohner ist der Zustand ein Ärgernis. Sie freuen sich auf die Sanierung. „Es wird Zeit“, sagt etwa Frank Schmidt. Er arbeitet in einem Fahrzeugteilehandel und macht sich vor allem Gedanken, ob Lieferanten in der Bauzeit noch auf den Hof fahren können. Eine Anwohnerin ein paar Häuser weiter kann die Fällungen kaum erwarten. Direkt vor ihrem Haus steht eine Robinie. Aus dem dicken Stamm treiben im Sommer Äste aus. Der Gehweg sei dann blockiert, sagt sie. Noch schlimmer seien jedoch die Schäden an Haus und Grundstück: Die Wurzeln drücken selbst etwa zehn Meter entfernt in der Einfahrt das Pflaster nach oben. „Der Baum hat Power“, sagte sie. Sie macht sich Sorgen um den frisch sanierten Zaun um den Vorgarten. „Das kostet doch alles Geld und soll nicht wegen des Baums kaputtgehen“, so die Anwohnerin. Auch im Keller gebe es schon Schäden durch die Wurzeln. Und auf den schmalen Grünstreifen zwischen Gehweg und Fahrbahn könne sie ohnehin verzichten: „Das ist ein Dreckstreifen und kein Grünstreifen“, sagt sie.
Auch die Nachbarin schräg gegenüber will die alten Bäume loswerden. „Das sind keine richtigen Straßenbäume“, sagt sie. Das kräftige Wurzelwerk habe schon viel Schaden angerichtet. Kabel seien zerstört worden und Wasserrohre verstopft. „Irgendwann muss da mal etwas passieren“, sagt die Rentnerin. Sie hoffe, dass neue Bäume gepflanzt werden, deren Wurzeln sich nicht so stark ausbreiten.
Genau das sei geplant, teilte der Sanierungsträger Stadtkontor am Montag auf Anfrage mit. Insgesamt sollen 31 kleinkronige Erlen zwischen Karl-Liebknecht- und Bruno-H.-Bürgel-Straße gepflanzt werden. Damit soll die Semmelweisstraße ihren ursprünglichen Alleecharakter zurückerhalten.
Damit wird die Straße ein neues Gesicht bekommen, denn der gesamte Straßenquerschnitt wird sich ändern. Auf beiden Seiten der Straße sind Parktaschen für insgesamt 79 Autos vorgesehen, die von den Baumscheiben unterbrochen werden – bisher passten etwa 90 Autos an die Straßenränder. Durch die neue Anordnung haben die Bäume mehr Platz zum Wachsen als auf dem bisherigen Grünstreifen, der nun verschwinden soll, wie Projektleiter Mike Kühn vom Stadtkontor erklärt. Die Fahrbahn selbst soll 4,10 Meter breit und gepflastert sein. Auf beiden Seiten sind zwei Meter breite Gehwege mit Bernburger Mosaikpflaster vorgesehen. Die Energie und Wasser Potsdam erneuert die Leitungen für Schmutz- und Trinkwasser, auch eine Straßenentwässerung wird eingebaut. Das alles zusammen kostet 1,6 Millionen Euro und soll etwa ein Jahr dauern. Die eigentlichen Bauarbeiten beginnen im März, derzeit laufe noch die Ausschreibung, so Kühn. 14 Tage bevor es richtig losgeht, sollen alle Bewohner der Straße noch per Post informiert werden.
Eine gesonderte Information über die Baumfällungen habe es nicht gegeben, so Kühn. Angesichts der intensiven Beteiligung der Anwohner mit zwei Bürgerversammlungen habe man darauf verzichtet. In der ersten dieser Versammlungen im November 2012 hatte eine Mehrheit der anwesenden Anwohner die Entfernung des Grünstreifens und der Bäume gefordert. Darauf habe man reagiert, so Kühn.
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