
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Erst Kita, dann Seniorenheim?
Potsdamer diskutieren am 16. und 17. Februar beim „Bürgergipfel“ in Berlin über den demografischen Wandel
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20 Potsdamer schreiben mit am „Bürgerreport“: In diesen sollen die Ergebnisse der sechs bundesweiten Bürgerkonferenzen einfließen, die 2012 vom Bundesbildungsministerium im Rahmen des „Bürgerdialogs“ zum Thema demografischer Wandel veranstaltet worden waren. Ziel des Projekts ist es, Ideen aus der Bevölkerung zu sammeln. Am 16. und 17. Februar findet der abschließende „Bürgergipfel“ in Berlin statt, an dem etwa 90 Bürger aus allen beteiligten Städten – Potsdam, Esslingen, Hagen, Kaiserslautern, Neubrandenburg, Gotha – teilnehmen werden.
Der Potsdamer Jochen Andrees ist einer davon: Der 40-jährige Berufssoldat war bereits bei der Bürgerkonferenz am 22. September in Potsdam dabei. „Ich fand es interessant, einmal mit vielen anderen Potsdamern über diese Themen zu sprechen“, so Andrees. Einige Probleme seien dem dreifachen Vater erst dort bewusst geworden: „Zum Beispiel, wie schwierig es für Familien ist, hier eine große Mietwohnung zu bekommen.“
Während der Bürgerkonferenzen wurden viele Vorschläge gemacht, wie man dem demografischen Wandel begegnen könnte. Noch ist der Bürgerreport zwar nicht geschrieben, aber gewisse Ergebnisse zeichnen sich bereits ab: „Eine Idee war, beim Bau von Kindertagesstätten zu berücksichtigen, dass diese auch als Senioreneinrichtung genutzt werden können, entweder parallel oder später“, so Merle Rietschel vom Büro Bürgerdialog. „Dadurch sollen Kinder und Ältere zum Beispiel zusammen kochen oder Seniorennachmittage gestalten.“
Auch Oksana Adams aus Potsdam freut sich, dass sie nach der Bürgerkonferenz auch am Bürgergipfel beteiligt ist: „Wann ist man schon mal in solche politischen Prozesse involviert? Eigentlich ja nie.“ Für die 42-jährige Angestellte im öffentlichen Dienst sei der Bürgerdialog sogar eine stärkere Bürgerbeteiligung als die Bundestagswahl: „Da kann man nur etwas ankreuzen, was bereits entschieden wurde. Aber hier konnte man direkt mitreden.“ Bei den Konferenzen saßen Bürger aller Schichten zusammen; so saß Adams als Angestellte an einem Tisch nur mit Hochschulabsolventen: „Sie sprachen immer von ‚den Dozenten' oder ‚den Studenten', ihr Blick führte immer sehr nach oben“, sagt Adams. Probleme anderer Schichten seien ihnen oft nicht bewusst gewesen, so Adams: „Dann habe ich gefragt: Und was ist mit der kleinen Supermarktkassiererin?“
Zu den diskutierten Vorschlägen zählte unter anderem, Angestellten mehr Heimarbeit, Sabbatjahre oder Gleitzeit zu ermöglichen. Um mehr ältere Arbeitnehmer einzustellen, wurde eine „Altenquote“ für Betriebe vorgeschlagen, „Leih-Großeltern“ sollten Kinder betreuen. „Die Bürger haben relativ viele Vorschläge an sich selbst adressiert und nicht an die Politik“, so Merle Rietschel. Der Bürgerreport soll am Ende auch konkrete Vorschläge für die Kommune Potsdam beinhalten. Juliane Nachtmann, Gesundheits- und Sozialplanerin der Stadtverwaltung und als Beraterin am Bürgergipfel beteiligt, kündigte bereits an, dass sich auch die Stadt Potsdam den Bürgerreport genau ansehen werde: „Das kann eine gute Handlungsgrundlage für uns sein.“
Zum Schluss wird der Bürgerreport an das Bundesbildungsministerium übergeben, hat allerdings nur empfehlenden Charakter. „Selbst wenn dieses Stimmungsbild nur wahrgenommen wird, ist das schon ein Erfolg“, findet Jochen Andrees. „Ich hoffe aber, dass der Report angesichts der derzeitigen Situation mit Frau Schavan nicht beim Ministerium untergeht.“ Erik Wenk
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