Landeshauptstadt: Erst Tupperparty, dann Samenraub
Viel kriminelle Energie steckt im Roman „Ladys auf Abwegen“ von Bettina Klusemann. Am heutigen Mittwochabend liest sie daraus vor
Stand:
Über Tupperpartys kann Bettina Klusemann eine Weile reden. „Niemand will etwas bestellen und am Ende erliegt man dem Gruppenzwang – und gibt ein Vermögen dafür aus. Aber so ist das auf dem Land, da macht man so was – und lernt dabei die Leute ganz anders kennen.“ Bettina Klusemann, 71 Jahre alt und seit acht Jahren Potsdamerin, stammt aus einem kleinen Ort zwischen Münster und Hamm. Dort fanden anscheinend noch ganz andere Partys statt, Candlelight- und Schmuckpartys – auch Dessoupartys. Letztere kennt Bettina Klusemann nur vom Hörensagen, hat sie aber ebenfalls in ihrem Roman „Ladys auf Abwegen“ verarbeitet, der seit dem vergangenen Jahr zu haben ist.
Es ist nicht ihr erstes Buch, erzählt sie an einem schmuddeligen Winternachmittag im Café Heider. Das liegt ziemlich genau zwischen ihrer Wohnung und der Innenstadt. „Zwischendurch hatte ich Heimweh zurück, aber jetzt fühl ich mich wohl hier in Potsdam“, sagt sie. Ihre Lieblingsorte sind das Belvedere auf dem Pfingstberg, der Neue Garten. Ein Potsdam-Roman ist das Buch trotzdem nicht geworden. Es spielt in ihrer alten Heimat. „Im Ruhrgebiet kenne ich mich besser aus.“
Autobiografische Bezüge finden sich zwar nicht, sie habe allerdings eine kleine Reminiszenz an die Familie ihres Mannes eingearbeitet, sagt Klusemann. Im Roman taucht ein Lokal in Essen mit dem Namen „Die Kluse“ auf. Das gibts wirklich, die Familie des Mannes hat wahrscheinlich mit den Inhabern dieser Klause eine gemeinsame Geschichte.
Aber eigentlich geht es in dem Buch um Frauen, fünf „Ladys auf Abwegen“. Die Damen, frustriert an der Seite ihrer langweiligen Ehegatten, gelangweilt von ihrem eigenen sorgenfreien Leben und auf Wunsch der Männer verurteilt zur Kinderlosigkeit, wollen sich damit nicht abfinden. Besagte Tupperpartys und Dessouspartys füllen sie auch nicht mehr aus – also planen sie einen Bankraub und führen ihn auch durch. Nur dass sie kein Geldinstitut überfallen, sondern in der Samenbank das Spendergut ihrer Ehegatten. Um endlich schwanger zu werden. Natürlich sei das sehr konstruiert, gibt Bettina Klusemann zu, aber sie habe eben viel Fantasie. Und: „Ein bisschen was Kriminelles muss ein Buch bei mir schon haben – und dazu Humor“, sagt sie: „Ich kann nicht so gut ernst schreiben.“
Inspiriert zu dieser Samenraub-Aktion habe sie das Schicksal von Boris Becker, der vor 14 Jahren durch einen ähnlichen Vorfall auch unfreiwillig Vater wurde. „Mensch, da kannste doch was draus machen“, dachte sie damals.
Bettina Klusemann schrieb ihr Buch bereits vor zehn Jahren, um sich abzulenken von der schweren Zeit, als ihr Mann sehr krank war. Interesse für das Schreiben, für Bücher, Autoren und Journalisten, hatte sie schon immer. Das ist nicht überraschend, Bettina Klusemanns Vater Kurt Pritzkoleit war renommierter Wirtschaftsjournalist und Buchautor während der Adenauer-Ära. Im Hause Pritzkoleit gingen Kollegen, Schriftsteller, Journalisten und Verleger aus und ein. Diese Vertrautheit mit dem Journalismus-Geschäft spiegelt sich in Klusemanns Roman wieder: Als Rahmenhandlung wählte sie das Geständnis der Heldin, die die Geschichte einem kleinen Vorstadtjournalisten verkauft – ein zunächst sehr unsympathischer Typ, der im Laufe des Buches allerdings sein Image aufbessern kann.
Sie selbst wurde, aller Prägung zum Trotz, nach einem Studium von Germanistik und Romanistik Lehrerin – wie es so üblich war in den 50er- und 60er-Jahren. Und hatte irgendwann auch nicht mehr den Mut, die sichere Beamtenlaufbahn zu verlassen, obwohl sie Angebote vom Fernsehen hatte. Politisch interessiert, wie ihr Vater, war sie allerdings immer. 1968, im Alter von 26 Jahren, trat sie in die SPD ein. „Wir waren damals alle von Willy Brandt begeistert.“ Heute sitzt sie für die Potsdamer SPD als sachkundige Einwohnerin im Kulturausschuss und will bei den Kommunalwahlen als Kandidatin für die Stadtverordnetenversammlung antreten.
Auch Bettina Klusemanns Vater war eher links, obwohl er unter den Nazis die Füße still gehalten und sich angepasst hatte. Goebbels holte ihn sogar in die Redaktion des Hakenkreuzbanners, dem Nazi-Parteiorgan, auch oder gerade weil er kein Parteibuch hatte. Viel kann Bettina Klusemann über ihren Vater und dessen Rollen während dieser Zeit nicht sagen, sie weiß auch nicht genau, warum er vorübergehend 1937 im KZ Sachsenhausen einsaß. „Zur Gehirnwäsche vermutlich“, sagt sie. Er hatte Glück, seine zukünftige Frau holte ihn dort wieder raus. Und nach dem Krieg, so Klusemann, hat man als Kind eben einfach keine Fragen gestellt und vieles hingenommen.
Berlin und Potsdam kannte Klusemann aus den Erzählungen ihres Vater, beispielsweise wenn es um Termine mit Verlegern ging. „Da fuhren wir eben nach Babelsberg.“ Und sie erinnert sich an die Schilder neben der Transitstrecke von Westdeutschland nach Berlin, auf denen „Potsdam“ stand. „Irgendwie wollte ich da immer hin“, sagt sie. Schließlich zog Bettina Klusemann ihren beiden erwachsenen Söhnen hinterher, aus dem Ruhrgebiet an die Havel. „Langsam wird die Stadt richtig schön“, sagt sie. Dafür bräuchte es ihrer Meinung nach allerdings nicht unbedingt die Garnisonkirche, auch wenn sie ein Foto besitzt, auf dem ihr Vater als 14-Jähriger vor dieser Kirche steht. „Es gibt doch schon genug historische Gebäude. Ich hätte für Potsdam lieber mal was Neues, was Modernes.“
Das nächste Buch hat Bettina Klusemann bereits in Planung, es soll, zur Abwechslung, mal etwas Ernstes werden. „Es geht um die Aufarbeitung des Dritten Reichs in einer Familie, eine Nachkriegsgeschichte“, sagt Bettina Klusemann. Eine Thematik, die ihr nicht unbekannt sein dürfte.
Am heutigen Mittwoch, dem 12. Februar, ist die Autorin im Begegnungszentrum Oskar in Drewitz, Oskar-Meßter-Str. 4-6, zu Gast und liest um 19 Uhr aus ihrem Roman „Ladys auf Abwegen“
Bettina
Klusemann: Ladys
auf Abwegen.
Roman. PomaskaBrand Verlag,
Schalksmühle 2013, 186 Seiten, 12,80 €.
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