Landeshauptstadt: Erste Klappe mit Parteisekretär
In der DDR war Rainer Simons Film „Jadup und Boel“ verboten – er läuft bei der Berlinale-Retrospektive
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Dass es der Film nicht leicht haben würde, war schon am ersten Drehtag klar: Denn außer dem Filmteam war an diesem Dezembermorgen 1979 auch ein Parteisekretär mit im Babelsberger Atelier. „Das habe ich später nie wieder erlebt“, erinnert sich Rainer Simon. Sein Film „Jadup und Boel“, der in der DDR jahrelang verboten war, läuft auf der Retrospektive der diesjährigen Berlinale, die unter dem Motto „Winter adé - Filmische Vorboten der Wende“ steht. Titelgebend für die Reihe ist ein Dokumentations-Film der HFF-Professorin Helke Misselwitz, der ebenfalls gezeigt wird.
Die Wende, wie sie zehn Jahre später stattfinden sollte, sei während des Drehs zu „Jadup und Boel“ nicht ansatzweise vorstellbar gewesen, erzählt Simon. Das Drehbuch mit der Geschichte um den Bürgermeister Jadup, der sich an seine Jugendliebe Boel erinnert und dabei erkennt, wie frühere Ideale der Resignation gewichen sind, habe er damals vom Studio angeboten bekommen. „Als ich es gelesen habe, war mir gleich klar, dass das ein ganz heißes Eisen ist“, erzählt Simon: „Es war eine treffende Bestandsaufnahme der damaligen Zeit.“
Noch vor Beginn der Dreharbeiten bekam das Studio dann doch kalte Füße und mischte sich immer wieder ein: „Wir haben jeden Schnitt politisch begründet“, erinnert sich Simon: „Es war lachhaft.“ Zwischenzeitlich war unklar, ob der Film mit Kurt Böwe und Katrin Knappe in den Hauptrollen überhaupt fertig wird.
Er wurde fertig, sogar der Premierentermin stand, aber dann kam im November 1981 der „Vater-Brief“: Ein DEFA-kritischer Leserbrief im SED-Organ „Neues Deutschland“. Simon wurde zum Studio-Generaldirektor bestellt: „Die Premiere wurde abgesagt mit der Begründung, dass man uns vor dem Volkszorn schützen müsse“, erzählt er. 1983 wurde der Film trotz vieler Protestschreiben des Teams endgültig verboten.
Erst nachdem die Berlinale 1987 verbotene Filme der Sowjetunion gezeigt hatte, startete Simon einen neuen Anlauf – mit Erfolg. „Jadup und Boel“ kam 1988 in die Kinos: „Viel zu spät, aber immerhin.“ 1989 bekam der Regisseur dafür den DDR-Kritikerpreis, auch zum Internationalen Filmfestival Moskau im Sommer 1989 wurde er eingeladen. Für Simon eine absurde Reise: „Ich bin mit den Leuten hingefahren, die den Film verboten haben.“ Jana Haase
„Jadup und Boel“ läuft am 12. Februar, 19 Uhr, und am 14. Februar, 21 Uhr, im Cinemaxx am Potsdamer Platz. Am 8. Februar findet 11 Uhr in der Deutschen Kinemathek, Potsdamer Straße 2, eine Diskussion mit Rainer Simon, Helke Misselwitz und anderen Filmmemachern statt.
Jana HaaseD
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