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Mit diesem präparierten Syrischen Goldhamster ging Christian Blumenstein unter anderem bei den diesjährigen Europameisterschaften an den Start.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Erzähler ohne Worte: Potsdams großer Präparator erneut ausgezeichnet

Christian Blumenstein wurde Vize-Europameister in der Kategorie „Collective Artists“. Durch seine Exponate will er vor allem Geschichten erzählen.

Von Alicia Rust

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Christian Blumenstein ist Präparator und Ko-Kurator am Naturkundemuseum Potsdam. Vor allem aber ist er ein begnadeter Erzähler. Einer, der für seine Geschichten keine Worte benötigt, denn seine Exponate sprechen für sich. Das wird bei einem Besuch in seinem Studio deutlich. Da ist zum Beispiel eine Gemeinschaftsarbeit, die er gemeinsam mit dem Thüringer Künstler und Modellbauer Sebastian Brandt angefertigt hat. „Spitzmäuse im Hochmoor“ heißt sie, ein kleines Gesamtkunstwerk, für das er eine Zwergspitzmaus und eine Gartenspitzmaus präpariert hat.

Bis ins kleinste Detail

Jedes noch so kleines Detail um die Mäuse herum – ein Ausschnitt aus einer Naturlandschaft – ist fein ausgearbeitet. Auf den Blüten und Gräsern befinden sich sogar winzige Tautropfen, jeder der glitzernden Pünktchen ist handgefertigt, dafür greift der Präparator auf Epoxidharz zurück, eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Und vor allem sehr viel Geduld.

Durch meine Exponate will ich vor allem Geschichten über die Tiere erzählen, über die zunehmend bedrohte Natur.

Christian Blumenstein, Präparator und Ko-Kurator

Für das Gemeinschaftswerk erhielten die beiden 2021 und zuvor schon einmal 2018 die Auszeichnung „Best of Collective Artists“. 2008 und 2012 wurde Blumenstein zudem mit zwei Weltmeistertiteln und verschiedenen Zweit- und Drittplatzierungen sowie Sonderpreisen bei Europa- und Weltmeisterschaften ausgezeichnet. Und nun ist er erneut geehrt worden.

Bei den 13. Europameisterschaften der Präparatoren, die im Rahmen der Messe „Die Hohe Jagd & Fischerei“ vom 13. bis zum 19. Februar in Salzburg stattgefunden hat, ist er Vize-Europameister geworden. Blumenstein stellte sich mit insgesamt fünf kunstvoll gefertigten Exponaten. Darunter Afrikanische Zwergschläfer, Syrische Goldhamster und selbst geangelte Harnischwelse aus Florida. Letztere auf einem kunstvollen Holzpodest aus schwarz lasiertem Eichenholz präsentiert, eigens von einem Tischler in Brandenburg – nach einem Entwurf des Präparators – gefertigt.

Tierpräparator Christian Blumenstein in seiner Werkstatt im Potsdamer Naturkundemuseum.

© ZB/Soeren Stache

109 Personen aus 35 Nationen hatten an der European Taxidermy Championship teilgenommen, 214 Exponate der Präparations- und Modellbaukunst waren insgesamt eingereicht worden. „Das sind schon ziemlich internationale Veranstaltungen“, sagt der Präparator. Da könne man sich mit anderen Kollegen austauschen, vor allem aber sei es eine gute Gelegenheit, um sich zu neuen Ideen inspirieren lassen.

Bewusstsein für die Natur

„Durch meine Exponate will ich vor allem Geschichten erzählen, über die Artenvielfalt, über die Lebensweise und das jeweilige Umfeld der Tiere, über die zunehmend bedrohte Natur“, sagt Blumenstein. Detailgetreue Darstellungen von Tierarten, die immer häufiger vom Aussterben bedroht sind. Es gehe auch darum, die Menschen durch die Betrachtung zu sensibilisieren, sagt er. Für seine detailgetreue Darstellung greift er schon mal auf ungewöhnliche Hilfsmittel zurück, doch dazu später mehr.

Blumenstein weiß zu jedem Tier etwas zu erzählen. Zum Beispiel, dass die Afrikanischen Zwergschläfer, jene kleinen nachtaktiven Nagetiere, die sämtliche Besucher durch ihre großen runden Knopfaugen in Verzückung versetzen, eigentlich alles fressen, was sich ihnen in den Weg stellt, wie er lachend erzählt.

Wir arbeiten mit dem Verfahren der Plastination, bei dem sämtliche Knochen und Muskeln des präparierten Tieres erhalten bleiben.

Christian Blumenstein (Präparator, Ko-Kurator Ausstellungen)

In seinem Studio zeigt er auch zwei präparierte Schildkröten, die sich auf einer Holzplanke befinden, inmitten eines Seerosenteichs. Die Seerosenblätter hat er nachgebaut, durch einen Abguss von echten Blättern. Bei genauerer Betrachtung des – in einem 1,50 mal 1,50 Meter schwarzen Holzkasten eingefassten Teichs – dessen klares Wasser aus Epoxidharz gegossen wurde, erkennt man einige Fische, die dicht unter der Wasseroberfläche liegen. Sie wirken wie gerade verendet. „Damit wollte ich auf das Fischsterben aufmerksam machen“, sagt Blumenstein.

Anders als früher werden die zuvor verendeten Tiere nicht mehr abgezogen und ausgestopft. Die Arbeit eines Präparators fällt heute weitaus weniger blutig oder geruchsintensiv aus. „Bei der Präparation arbeiten wir mit einem eigens in Potsdam entwickelten PEG-Plastinationstechnologie, einem Konservierungsverfahren für verwesliche biologische Präparate, bei dem sämtliche Knochen und Muskeln des präparierten Tieres im Inneren erhalten bleiben“, sagt Blumenstein. Das habe den konkreten Vorteil, dass die präparierten Tiere nicht mehr schrumpfen und ihre ursprünglichen Proportionen vollständig erhalten bleiben, so Blumenstein.

Bis ins kleinste Detail

„Den Rest, also die Natur um die Tiere herum, bauen wir selber“, sagt er. Die Blätter der Brombeerranken, die zum Beispiel die Afrikanischen Zwergschläfer umgeben, stammen aus seinem eigenen Garten. Die Brombeeren hingegen, derart naturgetreu in der Anmutung, dass man sie am liebsten pflücken würde, um sogleich hineinzubeißen, hat er aus schwarzen chinesischen Glasperlen zusammengeklebt, die wiederum an eine echte Brombeerranken angepasst wurden.

Auch die Augen von manchen präparierten Tierarten bleiben eine Herausforderung. „Die Zwergspitzmaus, unser kleinstes Säugetier in Brandenburg, hat mit nur rund einem Millimeter Durchmesser so winzige Augen, dass man sie als fertige Glasaugen nicht kaufen kann“, sagt er. Für die täuschend echte Nachempfindung hat er daher einen Stecknadelkopf verwendet, eingearbeitet in Silikon.

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