Landeshauptstadt: „Es gibt eine Syphilis-Welle“
Leichter übertragbar als HIV: Interview mit Sabine Frank und Guillaume Carpentier von der Potsdamer Aidshilfe anlässlich des Welt-Aids-Tages
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Am Sonntag ist Welt-Aids-Tag, doch seit Jahren hört man, dass die Syphilis-Zahlen auch in Deutschland nach oben gehen. Ist es daher angebracht, zuerst über Syphilis als über Aids zu sprechen?
Sabine Frank: Ich denke, man sollte beide Themen zusammen bearbeiten.
Guillaume Carpentier: Ja, es ist wichtig, das miteinander zu verbinden. Wer an Syphilis erkrankt ist, hat ein zehnmal höheres Risiko, sich mit HIV anzustecken.
Aber wie ist die steigende Zahl von Syphilis-Infektionen zu erklären?
Frank: Die Bevölkerung weiß mittlerweile recht gut über HIV Bescheid, aber andere Krankheiten sind etwas in Vergessenheit geraten.
Carpentier: Es gibt seit 2009 eine Syphilis-Welle, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Die ersten Symptome von Syphilis können leicht übersehen werden, und weil es sich um eine leicht heilbare Krankheit handelt, wird sie von vielen vielleicht als nicht so schwerwiegend betrachtet. Ich würde aber nicht unbedingt sagen, dass die Sorglosigkeit zugenommen hat, denn es gibt auch immer mehr Menschen, die über sexuell übertragbare Krankheiten informiert sind, weshalb häufiger Tests gemacht werden, wodurch es mehr Diagnosen von zuvor übersehenen Infektionen gibt. Dies kann den Anstieg der Zahlen zumindest teilweise erklären. Ein anderer Grund ist, dass Syphilis viel leichter übertragbar ist als etwa HIV – Syphilis-Bakterien können auch über die Haut oder die Schleimhäute aufgenommen werden, ein Kondom kann das Risiko daher nur vermindern, nicht ausschalten.
Hinkt die Aufklärung in Sachen Syphilis hinterher?
Frank: Im Vergleich zu HIV auf jeden Fall! Wir versuchen bereits ab der siebten Klasse Jugendliche zu informieren und verwenden dazu eine Serie von Info-Karten der zehn wichtigsten sexuell übertragbaren Krankheiten, wo HIV ebenso vertreten ist wie Syphilis oder Hepatitis C. Auch bei unseren Beratungsgesprächen weisen wir immer auf die anderen sexuell übertragbaren Krankheiten hin.
Carpentier: Manchmal wird bei einer Aids-Diagnose sogar übersehen, dass die Person auch noch mit Syphilis infiziert ist. Wir werden ab Januar 2014 parallel zum HIV-Test bei uns einen Syphilis-Test anbieten, zunächst aber nur für Männer, die sich beim Sex mit Männern angesteckt haben, denn dies ist der häufigste Fall für eine Syphilis-Übertragung.
Wie sieht die Situation bei HIV in Potsdam aus?
Frank: Wir bei der Aidshilfe stellen fest, dass die Bereitschaft, einen HIV-Test zu machen, gewachsen ist. Damit erhöht sich natürlich auch die Zahl derer, bei denen HIV diagnostiziert wird. Zudem muss man beachten, dass das Bergmann-Klinikum das einzige Aids-Zentrum Brandenburgs ist, weshalb auch Bürger aus dem Umland hier in Potsdam getestet werden. Andererseits gehen natürlich auch viele Potsdamer nach Berlin, um sich dort zu testen.
Carpentier: Und es gibt dank der verbesserten Therapie-Möglichkeiten immer weniger Menschen in Deutschland, die an Aids sterben, wodurch sich die Statistik der Aids-Erkrankten auch erhöht.
2009 gab es die letzte Aids-Gala der Potsdamer Aidshilfe – wird es irgendwann eine Fortsetzung geben?
Frank: Die Galas waren sehr wichtige Veranstaltungen, auch um aktuelles Wissen in die Bevölkerung zu tragen. Aber der Aufwand dafür war immer enorm und wir müssen uns einfach auf unsere aktuelle Arbeit konzentrieren. In diesem Jahr gab es aber immerhin ein Benefiz-Konzert des Kammerorchesters Concentus Alius am 17. November im Nikolaisaal, und im kommenden Jahr ist unter anderem eine Soli-Party im Spartacus geplant.
Das Interview führte Erik Wenk
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